Prozesse:Letzte Hürde für Ceta - Blockiert Karlsruhe das Abkommen?

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Karlsruhe (dpa) - Für die einen ist Ceta der Türöffner zum kanadischen Markt, für die anderen ein Einfallstor für risikobehaftete Lebensmittel und rücksichtslose Investoren.

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Karlsruhe (dpa) - Für die einen ist Ceta der Türöffner zum kanadischen Markt, für die anderen ein Einfallstor für risikobehaftete Lebensmittel und rücksichtslose Investoren.

Am 18. Oktober soll der EU-Ministerrat das umstrittene Freihandelsabkommen auf den Weg bringen, am 27. Oktober wollen Kanada, die EU und alle Mitgliedstaaten die Vereinbarung mit der Unterzeichnung besiegeln - wenn der Bundesregierung nicht das Bundesverfassungsgericht in den Arm fällt.

Worum geht es?

Um zu verhindern, dass Deutschland Ceta mit auf den Weg bringt, haben die Gegner des Abkommens insgesamt vier Verfassungsbeschwerden eingereicht. Außerdem gibt es eine Organklage der Linksfraktion im Bundestag gegen die Bundesregierung. Alle fünf Klagen (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.) sind verbunden mit Eilanträgen: Denn in Teilen soll Ceta noch vor der Zustimmung des Bundestags und der anderen Parlamente in Kraft treten - die Zeit drängt also. Am Mittwoch hat der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle gut fünf Stunden über die Anträge verhandelt und sich dann zu Beratungen zurückgezogen. Das Urteil soll bis Donnerstagmorgen stehen.

Was genau entscheiden die Verfassungsrichter?

Erst einmal geht es nur um die Frage, ob die Bundesregierung der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von Ceta am 18. Oktober im Ministerrat zustimmen darf. Die Kläger wollen erreichen, dass das Gericht den deutschen Vertreter auf ein Nein verpflichtet. Noch nicht im Detail geprüft wurde am Mittwoch, ob die Verfassungsbeschwerden Aussicht auf Erfolg haben. Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nimmt lediglich eine sogenannte Folgenabwägung vor.

Was bedeutet das?

Das Verfassungsgericht kann einschreiten, „wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist“. Dabei wägen die Richter ab: Wie viel Schaden richtet es an, wenn bei Ceta Fakten geschaffen werden und später ein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt wird? Und umgekehrt: Wie schwerwiegend sind die Folgen, wenn Deutschland den Prozess blockiert und sich die verfassungsrechtlichen Bedenken am Ende in Luft auflösen?

Wie könnte also das Urteil aussehen?

Im Eilverfahren können die Richter grundsätzlich alles anordnen. Weisen sie die Anträge ab, hat die Bundesregierung erst einmal freie Hand. Die Gegner können aber auf die ausführliche Verhandlung ihrer Klagen im Hauptsacheverfahren hoffen - Voßkuhle hat gleich zum Auftakt am Mittwoch klargestellt, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen erst dann abschließend geklärt werden können. Hält der Senat die Bedenken der Kläger für so schwerwiegend, dass er eine einstweilige Anordnung erlässt, stehen ihm nahezu alle Möglichkeiten offen.

Könnte das Ceta ernsthaft gefährden?

Nach Gabriels Darstellung ja. Der Vizekanzler, der das Abkommen in Karlsruhe engagiert verteidigte und immer wieder das Wort ergriff, spricht von einem gigantischen Schaden. Platze der EU-Kanada-Gipfel Ende Oktober wegen Deutschland, sei Ceta nicht mehr zu retten. Die Kläger halten die Folgen für weit weniger dramatisch, wenn sich das Abkommen um einige Monate verzögere. Der Handel mit Kanada werde weiter gut laufen, betonte etwa der Freiburger Staatsrechtler Martin Hochhuth. Und Ahornsirup werde es weiter zu kaufen geben.

Was genau bringt die Ceta-Gegner auf die Barrikaden?

Aus ihrer Sicht beschneidet das Abkommen die politischen Mitwirkungsrechte der Bürger und stellt den freien Handel über den Umwelt- und Verbraucherschutz. Auf Verfassungswidrigkeit kann Ceta aber nur in engen Grenzen überprüft werden. Im Hauptsacheverfahren dürften sich die Karlsruher Richter wohl vor allem das vorgesehene Ausschusssystem näher anschauen. Denn der zentrale Ceta-Ausschuss soll eigenmächtig Vertragsänderungen vornehmen dürfen, obwohl Deutschland darin nicht vertreten ist.

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