Kiel:Rechtsbeugung: Ex-Behördenleiter belastet Staatsanwältin

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Eine Statue der Justitia steht neben Aktenbergen. (Foto: Volker Hartmann/dpa/Archivbild)

Rechtsverstöße beim Notverkauf beschlagnahmter Tiere, katastrophale Aktenführung und Missachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit: Im Prozess um...

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Kiel (dpa/lno) - Rechtsverstöße beim Notverkauf beschlagnahmter Tiere, katastrophale Aktenführung und Missachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit: Im Prozess um Rechtsbeugung gegen eine Kieler Staatsanwältin hat der frühere Chef der Anklagebehörde schwere Vorwürfe gegen die damalige Referentin für Tierschutz erhoben. Die Juristin habe bei der Notveräußerung beschlagnahmter Tiere gravierende Rechtsverstöße begangen, indem sie Besitzern oder deren Anwälten vorsätzlich keine Möglichkeit zum Widerspruch eingeräumt habe, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Schwab am Montag vor dem Landgericht Kiel.

Seit 2012 hätten sich Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzeigen gegen die Angeklagte gehäuft. 2014 habe er ihre Tierschutzfälle an sich gezogen, sagte der Ex-Behördenchef. In 31 Fällen sei es um Notveräußerungen gegangen, zehn davon seien Grundlage für das Disziplinarverfahren geworden, das er im August 2014 eingeleitet habe. „Es haben sich für mich Hinweise auf vorsätzliche Dienstverstöße ergeben“, sagte Schwab. „Wir standen fassungslos davor, wie mit Rechten der Rechtsanwälte und Betroffenen umgegangen wurde.“

Der Staatsanwältin habe die Distanz gefehlt, sie habe „sich quasi auf Zuruf der Veterinäre zu Beschlagnahmen hinreißen lassen“, sagte ihr früherer Chef. In dem Umfang wie sie ganze Herden beschlagnahmt habe, habe sie die Kontrolle verloren. Aber „mit Distanz und etwas Zurückhaltung muss ich nicht alles mitnehmen - Rinder, Pferde, Hunde, Katzen - alles, was sich auf vier Beinen bewegt“. Auch Schwabs Nachfolgerin hatte ausgesagt, dass die Angeklagte in ihrem Engagement über das Ziel hinausgeschossen sei.

Der Zeuge sprach auch von schlampiger Aktenführung der Angeklagten, „eine Katastrophe, da gruselt es einen“. Schon in früheren Fällen habe sich die 44-Jährige als „uneinsichtig, unsachlich und aufbrausend“ gezeigt, etwa im sogenannten SMS-Verfahren, in dem es um Millionen-Betrug durch Flirt-SMS an Tausenden Handy-Nutzern ging. Wegen „Hauens und Stechens“ mit der Verteidigung und unangemessenen Verhaltens habe sie von diesem Verfahren abgelöst werden müssen. Der Prozess platzte aber nach neun Jahren am Fehlverhalten eines Richters.

Auch habe sich die 44-Jährige mit Ratschlägen an den damaligen Landwirtschafts- und Umweltschutzminister Robert Habeck (Grüne) „übergriffig“ verhalten, was diesen zu heftigen Protesten veranlasst habe, sagte Schwab. Die Beamtin wurde Anfang 2015 bei Kürzung ihrer Bezüge vorläufig des Dienstes enthoben. Ihre Beschwerden dagegen blieben inzwischen auch vor dem Richterdienstgericht erfolglos.

Die 44-Jährige hatte vor Gericht Fehler eingestanden, den Vorwurf der Rechtsbeugung aber zurückgewiesen. Sie selbst sei völlig überlastet gewesen. Vorgesetzte hätten sich trotz der Dienstaufsichtsbeschwerden nicht an sie wegen möglicher Rechtsverstöße gewendet. Die Juristin muss sich seit Oktober wegen zehn Fällen der Rechtsbeugung verantworten. Sie verkaufte demnach zwischen 2011 und 2014 beschlagnahmte Tiere, ohne den Besitzern oder ihren Rechtsanwälten die Möglichkeit des Widerspruchs zu geben.

Der Vorgang hatte auch lautstarke Protestaktionen von Betroffenen zur Folge, die 2014 schließlich das Justizministerium und den Generalstaatsanwalt in Schleswig auf den Plan riefen. Die erste Anklage erhob die Staatsanwaltschaft Itzehoe im Juni 2016. Bei einer Verurteilung drohen bis zu fünf Jahre Haft. Das Verfahren wird am Mittwoch fortgesetzt.

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