Hamburg:Jüdische KZ-Überlebende verzeiht Stutthof-Wachleuten nicht

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Rosa Bloch, Überlebende des KZ Stutthof. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Im Hamburger Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann im KZ Stutthof bei Danzig hat eine jüdische Überlebende jedwede Entschuldigungen abgelehnt. "Ich...

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Hamburg (dpa/lno) - Im Hamburger Prozess gegen einen früheren SS-Wachmann im KZ Stutthof bei Danzig hat eine jüdische Überlebende jedwede Entschuldigungen abgelehnt. „Ich beschuldige die Menschen, die uns bewacht haben, und ich werde ihnen nie verzeihen. Und ich werde nie vergessen, was sie uns angetan haben“, sagte die Zeugin Rosa Bloch am Freitag vor dem Landgericht. Ihre Aussagen auf Hebräisch wurden von einem Dolmetscher übersetzt. Die zierliche 89-Jährige schilderte einen Mordversuch an ihr und körperliche Misshandlungen und wünschte sich, dass die Täter von damals bestraft werden. Die gebürtige Litauerin lebt heute in Israel. Sie wurde von einer Tochter und einem Enkel begleitet.

An den 93 Jahre alten Angeklagten erinnere sie sich nicht, sagte die 89-Jährige. „Aber gerade die, die oben auf den Wachtürmen waren, konnten alles sehen“, sagte sie - wie zuvor schon eine Überlebende aus Australien. Dem SS-Mann wird Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen. Durch seinen Wachdienst von August 1944 bis April 1945 soll er „die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt“ haben. Zu seinen Aufgaben habe es gehört, die Flucht, Revolte und Befreiung von Gefangenen zu verhindern. Der Prozess läuft seit Mitte Oktober vergangenen Jahres vor einer Jugendstrafkammer, weil der Beschuldigte zur Tatzeit 17 bis 18 Jahre alt war.

Die Litauerin war im Juli 1944 mit ihrer Mutter ins KZ Stutthof deportiert worden, ihr Vater ins Konzentrationslager Dachau, wie die Zeugin bestätigte. Nach etwa zwei Monaten kamen Mutter und Tochter in ein Außenlager und mussten arbeiten, „Gruben ausheben“. Zwei Tanten mit ihren Kindern seien im KZ Stutthof verschwunden. „Es war klar, dass sie tot sind“, sagte Bloch auch über diejenigen, die zum Morgenappell oder in ihrer „Baracke 19“ nicht mehr auftauchten.

Nach ihrer Ankunft am KZ, eingepfercht in Eisenbahnwaggons, mussten die Frauen unter „starker Bewachung, begleitet von Hunden“ zu Fuß ins Lager marschieren. Wachleute hätten geschlagen, „damit wir schneller gehen. Sie waren grausam. Sie waren selber wie die Hunde“, sagte Bloch. Als sie eine Riesenpyramide aufgeschichteter Schuhe sah, wusste sie: „Etwas stimmt nicht. Hier kommst Du nie wieder raus.“

Sie habe die Gaskammer vor Augen gehabt, „wirklich gesehen“ und von jüdischen Mitgefangenen von den Ermordeten erfahren, berichtete Bloch. Aber sie habe einen starken Willen gehabt. Die Jugendliche überlebte den Todesmarsch gen Westen im Winter 1945. Von Hunderten in ihrer Gruppe seien 30 angekommen, Stürzende seien erschossen worden, schilderte Bloch. Ihre „kluge, intelligente Mutter“ sei kurz nach Kriegsende gestorben. Sie habe es sehr mitgenommen, „dass sie nur noch eine Nummer war.“ Mit der Registriernummer seien alle im Lager gerufen worden, mit ihr hätten sie antworten müssen. „Wir waren keine Menschen mehr“, sagte Bloch.

Fast tödlich traf es die damals 14-Jährige Rosa bei einer Essensausgabe. „Ich war in der Wachstumsphase und ständig hungrig“, berichtete die Zeugin. Als sie damals um eine weitere, kleine Portion „Wassersuppe“ bat, sei sie von einem Wachmann mit einem Stuhl auf den Kopf blutig geschlagen worden. „Er wollte mich umbringen.“ Weil jemand „Halt“ gerufen habe, konnten ihre Mutter und andere Lagerinsassen sie zurück zur Baracke bringen. „Ich war bewusstlos.“ Ärztliche Versorgung gab es nicht. „Wie wir aussahen war völlig egal. Sie wollten uns töten“, resümierte Bloch. Es sei wichtig, dass die Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten. „Das ist der Grund, warum ich hier bin.“

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