"Pretty Woman" am Broadway:Es ist schnulzig, aber es funktioniert

Lesezeit: 3 min

"Die Liebe und Geschichten über die Liebe sind wichtig in diesen Zeiten", sagt Bryan Adams zum neuen "Pretty Woman"-Musical. (Foto: Matthew Murphy)

"Pretty Woman" war der Liebesfilm der frühen 1990er-Jahre und Bryan Adams das singende Pendant dazu. Beides wird jetzt in einem Musical in New York vereint.

Von Kathrin Werner, New York

Bryan Adams sitzt am Rand und singt leise mit. Er nickt im Takt, die Füße wippen mit, die Finger trommeln auf seiner knallengen, zerrissenen Bluejeans. "Es ist bewegend, wenn alles zusammenkommt", sagt er. "Ich bin so glücklich." Der kanadische Sänger ist nach New York gereist, um den letzten Proben zu einem großen Wagnis beizuwohnen: Pretty Woman kommt als Musical an den Broadway, Adams hat die Musik geschrieben. Ab dem 20. Juli kann man es sehen.

Der Probenraum befindet sich in einem unauffälligen Gebäude in einer Seitenstraße am Times Square. Klebestreifen auf dem Boden markieren Tanzpositionen, die Möbel sind aus Sperrholz, ein abgewetztes, hellblaues Sofa steht in der Mitte, in der Ecke hängen Kostüme auf einer Stange. Heute tragen die Sänger weite T-Shirts und die Tänzerinnen Sport-Leggings. "Rodeo Drive, yeah", singt die Sängerin. "I always thought you deserve the best / Can't wait to see you in a pretty dress" ("Ich dachte schon immer, dass dir nur das Beste zusteht / Ich kann kaum abwarten, dich in einem hübschen Kleid zu sehen"). Zwischen den Stücken dehnen sie sich und lächeln zu Adams herüber. Er ist ein bisschen aufgeregt, sagt er, es ist das erste Mal für ihn, dass er Lieder für ein Musical geschrieben hat. "Es ist meine Feuertaufe."

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Pretty Woman war der Schnulzenfilm der frühen 1990er Jahre und Adams der Schnulzensänger der Zeit. Jeder kennt den Film: Wie sich die Prostituierte Vivian und der Millionär Edward verlieben, Julia Roberts und Richard Gere, das Traumpaar. Genauso kennt jeder Adams' Rock-Balladen: "Heaven", "Run to You" und natürlich der Dauer-Charterfolg "(Everything I Do) I Do it For You". Der 58-Jährige hat mehr als 75 Millionen Alben verkauft. Jetzt kommen Hit-Film und Hit-Musiker zusammen und trotzdem glaubt keiner der ersten Kritiker, dass der Erfolg sicher ist. Denn die große Frage ist: Funktionieren Schnulzen heute noch so wie Anfang der 1990er Jahre?

Wie lässt sich die Sexbranche familienfreundlich auf die Bühne bringen?

Und dann auch noch diese Schnulze. Vielleicht sind die Leute von heute nicht mehr so leicht zu begeistern von einer Geschichte, in der ein steinreicher Geschäftsmann eine Prostituierte erst mit ins Hotelzimmer nimmt, ihr dann Benimmregeln beibringt und sie schlussendlich aus ihrer Misere rettet. Vielleicht passt es heutzutage nicht mehr so gut, wenn ein hübsches Kleid als ultimative Belohnung gilt.

Im Film geht es außerdem oft recht lustig zu, er ist schließlich eine romantische Komödie. Aber wie gut kommt es bei heutigen Zuschauern an, sich über die Naivität einer Prostituierten lustig zu machen - wie lässt sich die Sexbranche überhaupt familienfreundlich auf die Bühne bringen? Hinzu kommt, dass das Kreativ-Team des Musicals nur aus Männern besteht: dem Regisseur Jerry Mitchell, dem Dramatiker J. F. Lawton und den beiden Komponisten Bryan Adams und seinem langjährigen Schreib-Partner Jim Vallance.

Adams glaubt, dass Schnulzen genau jetzt besonders gut funktionieren "Die Liebe und Geschichten über die Liebe sind wichtig in diesen Zeiten", sagt er. Zwei ganz unterschiedliche Menschen verlieben sich - das sei eine wichtige Botschaft in einer Zeit, in der mit Hass Politik gemacht wird und manche Menschen jeden ablehnen, der anders ist als sie selbst. "Wir wollen die Leute daran erinnern, dass man nie genug Liebe in der Welt haben kann", sagt Adams. Es war lange sein Traum, ein Musical zu dem Film zu schreiben. Vor zehn Jahren schon hat er Disney kontaktiert, das Filmstudio hinter dem Film, und vorgeschlagen, die Story auf die Broadway-Bühne zu bringen. Seit zweieinhalb Jahren laufen nun die Arbeiten. Adams und sein Co-Songwriter haben die Lieder wieder und wieder überarbeitet. Gut die Hälfte der Songs, die sie schrieben, schafften es am Ende nicht ins Musical. Kein Lied aus dem Film kommt auf die Bühne.

Es ist schnulzig, aber es funktioniert

Adams mochte den Film schon immer. "Es ist eine großartige Liebesgeschichte", sagt er. "Gleichzeitig modern und klassisch." Regisseur und Choreograf Mitchell und der Dramatiker Lawton haben sich ein wenig von der Handlung des Films entfernt, um sie für zeitgenössische Geschmäcker leichter zugänglich zu machen. Eine erste Idee, aus Vivian ein Model statt einer Prostituierten zu machen, haben sie verworfen. Aber sie haben Vivian stärker gemacht und Edward schwächer, im Musical braucht er sie genauso wie sie ihn, er ist nicht der klassische Retter. Zu weit entfernen wollten sie sich aber auch nicht vom Original, um die treuen Fans nicht zu vergraulen. "Menschen auf der ganzen Welt lieben den Film", sagt Mitchell. "Egal wohin ich reise, die Leute fragen mich immer, wann das Pretty-Woman-Musical in ihr Land kommt." Der Broadway ist noch immer eine Gelddruckmaschine, in der vergangenen Saison setzte er fast 1,5 Milliarden Dollar um.

Am Ende der Probe in dem Raum mit den Sperrholzmöbeln führen die Sänger noch die Abschlussballade vor, ein Duett von Vivian und Edward. Es heißt "Long Way Home" und ist halb Adams-typischer Soft-Rock, halb Musical-Showtune. Bryan Adams singt den Refrain leise mit, sein Kopf nickt im Takt, seine Augen glänzen feucht. Es ist schnulzig, aber es funktioniert.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Liebesfilme im Kino
:Wir sehnen uns nach guten Liebesfilmen

Klassiker wie "So wie wir waren" oder der Oscarfavorit "La La Land" zeigen: Die Liebe zieht im Kino immer noch. Aber nur mit überzeugenden Frauenfiguren.

Von Susan Vahabzadeh

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: