Sammelalben:Klebe wohl!

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Tausche einen Neuer gegen einen Donnarumma: Zur (verschobenen) EM 2020 brachte Panini gleich drei Sammelalben raus. Es dürften die letzten gewesen sein. (Foto: Marijan Murat/picture alliance/dpa)

Die Kult-Firma Panini verliert die Rechte für die kommenden Fußball-Europameisterschaften an einen US-Konkurrenten. Ein Abschied, der wehmütige Erinnerungen auslöst - zum Beispiel an die Trainerbank von Bayer Uerdingen.

Von Stefan Galler

Als hätten sie es geahnt: Bei ihrem vorerst letzten Einsatz hat die Firma Panini noch einmal alles gegeben. Zur Fußball-Europameisterschaft, die eigentlich 2020 hätte stattfinden sollen, gab es das erste Sticker-Sammelalbum schon während der Qualifikation ("Road to Uefa Euro 2020"), die nächste Kollektion erschien im Frühjahr 2020 und wurde nach der pandemiebedingten Verschiebung des Turniers noch schnell mit dem Stempel "Preview" versehen. Und dann, ein Jahr später, war es Zeit für das tatsächliche Heftchen - die "Uefa Euro 2020 Tournament Edition".

Es wird bis auf Weiteres das letzte EM-Klebebildchen-Sammelalbum des traditionsreichen Herstellers Panini aus Modena sein. Wie das US-amerikanische Unternehmen Topps am Mittwoch bekannt gab, hat es sich die Rechte an sämtlichen Stickern und Sammelkarten zur Europameisterschaft 2024 und 2028 gesichert, als Botschafter für dieses Projekt die Trainer-Berühmtheit José Mourinho verpflichtet und sein Portfolio mit diesem Coup deutlich erweitert: Auch die Sammlungen zur Fußball-Bundesliga und zur Champions League kommen seit einigen Jahren aus dem Hause Topps. Panini eroberte dagegen 2019 die Premier League zurück, veröffentlicht außerdem Jahr für Jahr die Kollektionen für die italienische, spanische und französische Liga und hält weiterhin das wohl wichtigste Recht auf dem Sticker-Markt: jenes für die Fußball-Weltmeisterschaft.

Die Rechte für die Weltmeisterschaften (hier die deutsche Nationalmannschaft im 1974er-Heft) hält Panini weiterhin. (Foto: Miriam Schmidt/picture alliance / dpa)

Dass nun ausgerechnet zur EM in Deutschland 2024 die Bilder nicht mehr aus Norditalien kommen, dürfte bei leidenschaftlichen Fans Wehmut auslösen. Seit es EM-Endrunden mit mindestens acht Mannschaften gibt, also seit 1980, verantwortete Panini stets die Herstellung der passenden Bildchen. Bei der ersten Auflage hatte man damals womöglich noch kein rechtes Vertrauen in die deutschen Sammler, man packte die EM-Kollektion einfach in ein kombiniertes Album mit der Bundesliga. Fußballfans, die heute um die fünfzig sind, dürften sich daran erinnern, wie sie mit klopfenden Herzen die im Schreibwarengeschäft für 20 Pfennige erstandenen Päckchen aufgerissen haben - und sich dann wahlweise über das kunstvoll gestaltete silbern-blaue Wappen Griechenlands freuten oder über ein Foto von der Trainerbank Bayer Uerdingens ärgerten. Diese merkwürdige Mischform gab es nur in Deutschland, während in Italien, aber auch in Österreich, Frankreich und der Schweiz (deren Nationalteams gar nicht für die Endrunde in Italien qualifiziert waren) Pickerl-Kollektionen eigens für das Turnier erschienen.

680 Sticker für ein volles Album - das geht ins Taschengeld

Seither waren Europameisterschaften ohne Panini-Sticker undenkbar, mit der Zahl der teilnehmenden Nationen wurde auch die Menge der zu erwerbenden Bilder über die Jahre immer üppiger. Als dann 2016 in Frankreich erstmals 24 Teams am Start waren und es die wichtigsten Spieler nicht nur als Porträts, sondern auch in Action gab, benötigte man plötzlich 680 verschiedene Sticker für ein volles Album. Das ging ins (Taschen-)Geld.

Mit der Marke Panini verhält es sich ein bisschen wie mit den Marken Tempo oder Uhu - sie ist zum Gattungsnamen für Klebe-Alben als solche geworden. Ein Teil der Wehmut, die sich nun unter passionierten Fußballbildchen-Sammlern breitzumachen scheint, ist auf diesen Kultstatus zurückzuführen. Dazu kommt, dass die Konkurrenzfirma nicht sonderlich beliebt ist in der Community: Die Bundesliga-Kollektionen waren bis vor wenigen Jahren eher lieblos gestaltet, teilweise umfassten die Hefte weniger als 300 Sticker und wurden in Süddeutschland nur über einen Discount-Supermarkt vertrieben. Erst seit der Saison 2020/21 legt sich Topps bei den deutschen Klebebildchen stärker ins Zeug. Wesentlich mehr Zuspruch erhalten die aufwendigen Champions-League-Kollektionen der US-Amerikaner.

Wayne Gretzky aus der NHL-Saison 1979/80 kostet 1500 Dollar

Die Kernkompetenz des 1938 gegründeten Unternehmens liegt seit vielen Jahren vor allem auf dem Sammelkartenmarkt (also ohne Klebstoff-Rückseite), der insbesondere in den USA eine große Tradition hat. Auch heute hält Topps dort die Rechte an der Major League Baseball (MLB) und der National Hockey League (NHL). Für viele Amerikaner sind diese Sammelkarten längst auch Kapitalanlagen, für eine Topps-Karte von Eishockey-Superstar Wayne Gretzky aus seiner ersten NHL-Saison 1979/80 werden bei Ebay rund 1500 Dollar aufgerufen.

Das teuerste zeitgenössische europäische Fußballbildchen, allerdings mit Klebefläche und nicht zum Einstecken in einen Sammelordner, ist jenes von Erling Haaland in seiner einzigen Saison 2019/20 in der österreichischen Bundesliga im Trikot von Red Bull Salzburg. Mindestens 200 Euro sollte man dafür schon lockermachen, manch ein Verkäufer verlangt sogar 700 Euro und mehr. Veröffentlicht wurde dieses gesuchte Bildchen übrigens von Panini. Das Topps-Exemplar zur damaligen Champions-League-Saison ist derweil für den Schnäppchen-Preis von rund 50 Euro zu haben.

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