SZ-Kolumne "Ein Anruf bei...":"Herr Scholz sollte sich vielleicht überlegen, auf eine andere Sportart umzusteigen"

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Wer jenseits der 60 noch regelmäßig joggt, kann sich schnell mal verletzen - so wie kürzlich Bundeskanzler Olaf Scholz. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Der Bundeskanzler geht mit 65 regelmäßig joggen. Nicht optimal, findet der 19 Jahre ältere Sportwissenschaftler Hans Andreas Bloss - und hat ein paar Tipps, wie man Sport im Alter ohne blaue Augen treibt.

Interview von Joshua Beer

Am Wochenende hat Deutschland etwas Neues über seinen Bundeskanzler gelernt: Olaf Scholz joggt. Unglücklicherweise ist der 65-Jährige dabei gestürzt und hat sich am Auge verletzt. Ob und wie man im fortgeschrittenen Alter noch unversehrt laufen gehen kann, weiß der 84 Jahre alte Sportwissenschaftler Hans Andreas Bloss.

SZ: Herr Bloss, nach dem Bild des lädierten Kanzlers stellt sich die Frage: Müssen Jogger jenseits der 60 damit rechnen, plötzlich eine Augenklappe oder andere Verbände zu tragen?

Hans Andreas Bloss: Na ja, es kommt sehr auf die Strecke an. Aufs Auge stürzt man nicht ohne Weiteres. Lagen dort Steine? Wichtig ist: Der Untergrund sollte nicht zu hart sein. Ob Wald, Wiese oder Strand, das ist sekundär. Aber eine Teerstraße etwa setzt die Muskelsehnen, Bänder und Knochen Zusatzbelastungen aus. Das gilt für jedes Alter.

Was sagen Sie als Mann vom Fach: Sollte ein 65-jähriger Kanzler noch regelmäßig joggen?

Scholz macht es insofern richtig, als er ein Leben lang Bewegungstraining ausübt. Nicht aufhören mit 65 oder 70! Wie beim Zähneputzen, bis zum letzten Tag! Doch bis zum Ende joggen, das ist nicht gut. Herr Scholz sollte sich vielleicht überlegen, auf eine andere Sportart umzusteigen. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe mit 30 mit Joggen angefangen und mit 60 aufgehört. Wenn allmählich die Knie- und Hüftgelenke anfangen zu schmerzen, sollte man umdenken. Spätestens mit 60. Es gibt kaum Leute, die eiserne Gelenke haben und mit 70, 80 noch joggen, ohne sich kaputtzumachen. Und ob Herr Scholz eiserne Gelenke hat, weiß ich nicht.

Hans Andreas Bloss ist emeritierter Hochschulprofessor und Autor. Vergangenes Jahr erschien sein Sachbuch "Mit Bewegung geht alles besser" zum Fitbleiben im hohen Alter. (Foto: privat)

Auf welche Sportart könnte man in dem Alter umsteigen?

Radfahren ist nicht jedermanns Sache, aber Schwimmen zum Beispiel. Und Home-Fitnesstraining, ohne geht es nicht. Doch wem das Laufen in der Natur Spaß macht, sollte es mit gemischtem Bewegungstraining probieren. Das heißt zum Beispiel, vier Kilometer joggen, zwei Kilometer Nordic Walking und dann wieder umdrehen. Ich fand das auch erst idiotisch, aber man gewöhnt sich dran.

Welchen Tipp können Sie dem laufenden Kanzler aus der Ferne mitgeben?

Von seiner Figur her würde ich sagen, er ist ganz gut ausdauertrainiert. Das Joggen sollte man in drei Abschnitte einteilen. Erstens fünf Minuten Aufwärmen: Rumpfkreisen, Beine ausschütteln, Hüftkreisen, Schwingen. Dann das Lauftraining, das bei Herrn Scholz vermutlich zwischen 30 und 40 Minuten dauert. Schließlich der Trainingsabschluss, lockeres Gehen und Dehnübungen. Beim Joggen gilt das Stichwort: Laufen, ohne zu schnaufen.

Und was bedeutet es, wenn man schnauft?

Dann läuft man zu intensiv. Wir Sportwissenschaftler sagen: Der Puls sollte durchschnittlich bei 180 minus dem eigenen Lebensalter liegen. Da laufe ich nicht zu stark, aber auch nicht zu wenig. Unserer Gesundheit bringt es nichts, wenn wir durch die Gegend schleichen. Bei Männern im Alter von Herrn Scholz wären 115 Schläge pro Minute das Optimum. Mit einer Pulsuhr kann man das gut kontrollieren. Wir fahren ja auch nicht Auto ohne Tachometer. Neben der Intensität sind noch Dauer und Häufigkeit wichtig. Diese drei Werte bilden das A und O in jeder Ausdauersportart, die wir für ein gesundes Herz-Kreislauf-System betreiben.

Und es verschafft einen psychischen Ausgleich. Vielleicht läuft Scholz sich ja auch den Kopf frei, um all die Streitereien in der Ampelkoalition zu vergessen.

Ich habe gelesen, dass seine Frau ihn zum Joggen motiviert hat. Die wollte wahrscheinlich, dass er sich entspannt bei seinem anstrengenden Beruf. Es gibt ja auch meditatives Joggen, bei dem man sich auf die inneren Körpervorgänge konzentriert, aufs Atmen und das Bewegungsgefühl. Aber das hat er wahrscheinlich nicht gemacht. Oder er ist genau deshalb hingefallen.

Sie sind knappe 20 Jahre älter als der Kanzler. Wie sieht denn Ihr Trainingsplan aus?

Jeden zweiten Tag mache ich Ausdauertraining. Einmal in der Woche Nordic Walking, und ich fahre sehr gerne Rad. Aber damit muss man mit über 80 vorsichtig sein. Außerdem schwimme ich, mache also ein Mixtum je nach Wetter und Laune. Aber das Wichtigste haben wir vergessen: Sport muss natürlich Spaß machen, ganz klar.

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