Olaf Scholz:Pirat im Kanzleramt

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"Sieht schlimmer aus, als es ist": Mit Augenklappe zeigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag beim Kurznachrichtendienst X. (Foto: Steffen Kugler/dpa)

Olaf Scholz trägt nach einem Jogging-Unfall eine auffällige Augenklappe. Natürlich mit der Würde, die der Kanzler für geboten hält. Eine Stilkritik.

Von Joachim Käppner

Wir wissen nicht, für welches Modell sich Olaf Scholz entschieden hat; ist es die "Pirate Eye Patch Black" oder vielleicht doch die "verstellbare medizinische Augenklappe für Erwachsene und Kinder"? Bedauerlicherweise ist der Kanzler beim Joggen gestürzt, unsere besten Genesungswünsche, und verbirgt sein blaues Auge hinter einem schützenden Tuch. Er selbst hat das Ergebnis über Social Media verbreitet, was einerseits für seinen sonst nicht immer zum Ausbruch drängenden Humor spricht. Andererseits liegt die Vermutung vielleicht nicht ganz fern, dass Olaf Scholz der Auffassung ist, selbst mit einem Auge noch mehr Übersicht, Kompetenz und Sicherheit auszustrahlen als jedermann oder -frau in seiner Regierung, geschweige denn all die Ahnungslosen außerhalb derselben. Es sehe, ließ er die Welt wissen, "schlimmer aus, als es ist".

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Scholz trägt die auffallende Augenklappe mit einer gewissen Würde, wie er sie wohl für geboten hält bei einer Führungspersönlichkeit, die herabsehen darf auf störrische Familienministerinnen, zerknirschte Vizekanzler, die Panzer-Agnes, die närrischen Medien und viele andere mehr, die leider nicht verstehen wollen, wie gut und fest dieses Land geführt wird. Ob er seinen Blick nun mit einem Auge darauf ruhen lässt oder mit zweien, er wird unsere Demokratie hüten wie seinen Augapfel. Törichte Neider könnten nun schreien, da sehe man es, wie der Kanzler die Augen, oder jedenfalls eines von ihnen, verschließe vor den Problemen der Gegenwart und dass die Klappe daher auf Scholz passe wie die Faust aufs Auge. Aber das ist natürlich dummes Gerede.

Trotz des einschlägigen und gut sitzenden Accessoires ist jedoch der Weg zur Vorstellung noch weit, Olaf Scholz hätte damit dereinst zum Piratenkapitän getaugt. Man versuche nur, sich dies vor Augen zu führen: Die englische Karibik-Flotte würde bedrohlich aufschließen zum Piratenschiff "Ampel" und die Besatzung ihn anflehen, alle Segel zu setzen; aber Captain Blackeye würde nur gelassen erwidern, er tue grundsätzlich alles, was erforderlich sei. Ob er nicht wenigstens die 32-Pfünder am Heck laden lassen könnte? Ja, könnte ich, sagt Scholz, der Schrecken der Karibik, und lächelt selbstzufrieden. Immerhin, erwidert er, habe er doch eine Zeitenwende ausgerufen, um den Dreimaster wieder mit etwas Pulver und der einen oder andere Kanonenkugel auszustatten; spätestens in drei Jahren seien die ersten Exemplare einsatzbereit. Die lassen uns alle über die Planke gehen, rufen ängstlich die Leichtmatrosen; aber da sieht Scholz sie mit seinem einen Auge so durchdringend an, dass selbst der Vizekapitän mit dem Sechstagebart einen Moment lang schweigt, und sagt: "Macht euch keine Sorgen. You'll never walk alone."

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