Morsen, telegrafieren, twittern:Der erste Schwurbler

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Seine erste Nachricht verschickte Morse im Mai 1844 von Washington nach Baltimore. (Foto: Three Lions/Getty Images)

Vor 150 Jahren starb Samuel F. B. Morse, den man auch als Erfinder des Prinzips Kurznachrichtendienst bezeichnen kann. Was hat er der Welt nur angetan?

Von Martin Zips

Die Iren sind schuld. Alles böse Menschen, die die Demokratie in Amerika untergraben wollen. Komische Katholiken, päpstliche Lakaien, ausländische Gefährder, die neben ihrem Irrglauben wahrscheinlich auch noch die auf ihrer Insel grassierende Kartoffelfäule in die Vereinigten Staaten von Amerika bringen werden.

Der, der solche Gedanken Mitte des 19. Jahrhunderts im New York Observer verbreitete, unterschrieb seine Artikel mit dem Pseudonym "Brutus". Aber das war nicht sein richtiger Name. Im echten Leben hieß der Schwurbler: Samuel F. B. Morse. Morse feiert am 2. April seinen 150. Todestag, sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von feiern sprechen kann.

Samuel F. B. Morse gilt als Erfinder der Kurznachricht. Also dieser hektisch ausgesandten, womöglich völlig unüberlegt in die Welt geblasenen "News". Ein gescheiterter Maler aus calvinistischem Haus, der einerseits Weltverschwörungsmythen verbreitete wie die, nach der die Habsburger in den USA angeblich einen Kaiser installieren wollten. Andererseits entwickelte Morse den Ehrgeiz, mit Kupferdraht und Stromstößen sowie dem von ihm ausgetüftelten Morse-Alphabet kurze Texte auch über größere Distanzen zu versenden. Ähnlich dem, was man heute zum Beispiel "Twitter" nennt.

Seine erste Nachricht verschickte Morse im Mai 1844 von Washington nach Baltimore -, und da er ein frommer Mann war, handelte es sich natürlich um ein Bibelzitat ("Was Gott erwirkt hat"). Diese vier Wörter aus dem Buch Numeri entstammen einem Dialog zwischen Balak und Bileam. Heutige Menschen, welche sich ausschließlich über Kurznachrichten informieren, dürften Balak und Bileam für Fußballspieler halten. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei Balak um einen König und bei Bileam um einen Wahrsager. Der König bittet den Wahrsager im vierten Buch Mose, das Volk Israel zu verfluchen. Aber irgendwas läuft schief, und am Ende wird das Volk nicht verflucht, sondern gesegnet.

"Ankomme Freitag, den 13. um 14 Uhr, Christine"

Gesegnet war auch Samuel F. B. Morse, da er den Millionär Cyrus W. Field als Freund hatte. Field war derart begeistert von der Idee mit den Kurznachrichten, dass er Morse ein 4000 Kilometer langes Unterseekabel finanzierte, über das sich zum Beispiel die englische Königin dem US-Präsidenten mitteilen konnte (für 103 Wörter benötigte man damals eine Entzifferungszeit von 16 Stunden). Ein paar Jahre später konnten dann auch Privatleute Nachrichten telegrafisch verschicken ("Ankomme Freitag, den 13. um 14 Uhr, Christine"). Sie mussten nicht mehr auf mehrseitige, mühsam mit der Hand verfasste Briefe warten. So wurde die Welt immer schneller, wurden die Nachrichten zahlreicher. Noch 2013 fanden laut dem Asia-Pacific Economic Cooperation Forum 97 Prozent der weltweiten Internet-Kommunikation allein über Tiefseekabel statt. Nur, dass man über Tiefseekabel heute zum Beispiel auch mehrbändige Anleitungen zum Kappen von Tiefseekabeln verschicken kann.

Immer wieder weisen Amateurfunk-Vereine (ja, die gibt es noch) darauf hin, wie zukunftsfähig ihre Technik auch jetzt noch sei. Würden nämlich mal alle Tiefseekabel gekappt - man hätte ja schon so eine Idee, von wem - so könnte das Morse-Alphabet und das leicht selbst zu bastelnde Morsegerät einen Ausweg bieten. Da verwundert es nicht, dass sich selbst Menschen wie Friedrich Merz (Amateurfunk-Rufzeichen DK7DQ) oder Cliff Richard (W2JOF) und viele andere weiterhin zu dieser etwas in die Jahre gekommenen Kommunikationsform bekennen.

Aber es wird eben nicht mehr nur gefunkt und gemorst, telegraphiert und gefaxt, sondern längst auch gesimst, gewhatsappt und getwittert. Auch von Schwurblern, welche so ziemlich gegen alles wettern, was (siehe oben) Gott aus ihrer Sicht nicht erwirkt hat. Gerade wegen der Schwurbler, zu denen zweifelsohne auch Samuel F. B. Morse gehörte, verflucht man sie gelegentlich, diese kurzen, schnellen Nachrichten.

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