Kommunikation:Das Telegramm sendet ein letztes SOS!

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An diesem Freitag vor 175 Jahren wurde das erste Telegramm verschickt. Der dabei verwendete Morseapparat steht mittlerweile im Deutschen Museum in München. (Foto: dpa)

175 Jahre nach der ersten elektrisch übermittelten Nachricht stirbt das Morsen aus. Sein Erfinder wollte den Weltfrieden voranbringen. An Twitter und Co. hat er dabei wohl nicht gedacht.

Von Titus Arnu

60 Milliarden Botschaften werden täglich über Whatsapp verschickt. Viele davon haben einen eher profanen Inhalt: "Bringst du Brot mit?", "Bussi!", "Lol". Das erste Telegramm, das am 24. Mai 1844, also an diesem Freitag vor 175 Jahren, über einen elektrischen Fernschreiber verschickt wurde, hatte es dagegen in sich. Es lautet in heutiger Morsesprache: .-- .... .- - .... .- - .... --. --- -.. .-- .-. --- ..- --. .... -

Nach Entschlüsselung des Codes sah sich der Empfänger mit einer philosophischen Frage konfrontiert: "What hath God wrought?" (Was hat Gott bewirkt?).

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In der aktuellsten Version der App wird eine Sicherheitslücke geschlossen. Durch einen Anruf konnten Angreifer eine der mächtigsten Überwachungssoftwares installieren.

Alfred Vail, der dieses Bibelzitat empfing, konnte die Frage spontan nicht beantworten. Aber er bestätigte dem Absender Samuel Morse, dass die Übertragung des Textes von Washington nach Baltimore technisch funktioniert hatte. Das Ereignis markiert den Beginn eines neuen Zeitalters - des Zeitalters der Massenkommunikation. Technisch hat sich seitdem vieles verbessert, inhaltlich gesehen blieb das Niveau nicht durchgehend so hoch.

Wie viel Unfug heutzutage über Facebook, Whatsapp und Twitter verzapft wird, hätte sich der fromme Idealist Samuel Morse wohl kaum träumen lassen. Er hoffte, dass seine Erfindung ein wichtiges Instrument für den Weltfrieden sein würde. Morse war Maler und Kunstprofessor in New York, er interessierte sich aber auch für chemische und elektrische Experimente.

Zusammen mit seinem Mitarbeiter Alfred Vail entwickelte er das Morse-Alphabet und später den Morseapparat, der mittlerweile im Deutschen Museum in München steht. Aus einer Staffelei, einem Stift, Teilen einer Uhr und einem Pendel bastelte er ein sperriges Gerät. Dessen Grundfunktion ist simpel: Fließt kein Strom, zeichnet der Stift eine gerade Linie. Bei Stromimpulsen schlägt das Pendel aus, und der Stift macht einen Zacken. Ähnlich einfach funktioniert das Morsealphabet: Aus drei Signalen (kurz, lang, Pause) werden Buchstaben und Wörter gebildet. Bekanntestes Beispiel ist das Notsignal SOS (drei kurz, drei lang, drei kurz), das 1903 als international gültiges Notrufzeichen definiert wurde.

150 Jahre lang war das Morsen weltweit verbreitet zur Übermittlung von Nachrichten, durch die Digitalisierung droht es auszusterben. Im Luftverkehr, in der Seefahrt, beim Militär und bei Wetterdiensten wurden die Morsesysteme längst eingestellt. Nur Funkamateure beschäftigen sich noch freiwillig mit dem Morse-Alphabet. Allerdings nimmt die Zahl der Fachleute ab, die schnell genug Morsezeichen "geben" und in Klartext übersetzen können, ohne jeden Buchstaben im Internet nachzuschauen.

Anhänger der antiquierten Technik verweisen darauf, dass Morsen auch im Notfall noch funktioniert, selbst bei Stromausfall, etwa mit Taschenlampen oder Klopfzeichen. 2004 bekam das Morsealphabet das erste Update seit 60 Jahren, die International Telecommunication Union definierte die Zeichenfolge Kurz-Lang-Lang-Kurz-Lang-Kurz für das @-Zeichen. Über kurz oder lang könnte sich das Morsen trotzdem zur toten Sprache entwickeln, wie Latein. Todsicheres Zeichen dafür: Die "Morsetelegrafie" steht auf der Kulturerbe-Liste der deutschen Unesco-Kommission, in einer Reihe mit Spitzenklöppeln, dem Köhlerhandwerk und der Flößerei.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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