SZ-Kolumne "Mitten in ...":Die Kunst des höflichen Fluchens

Lesezeit: 2 min

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Bei einem Besuch in seiner Lieblingsbankfiliale in Tokio traut der Japan-Korrespondent der SZ seinen Ohren nicht. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Tokio

Vier Mal im Jahr wird die Lokalsteuer fällig. Und weil für diese keine Einzugsermächtigung erteilt wurde, wird immer bei der Bank des Vertrauens bezahlt. Genauer gesagt, bei deren Filiale im Stadtteil Nihonbashi, denn die gehört zu den wenigen, die Steuerüberweisungen vornehmen. Am Eingang steht ein Wachmann. Die Leute am Schalter sprechen Englisch, ihr Kundenservice ist sehr japanisch: höflich, zuvorkommend, geduldig - manchmal etwas umständlich. Wenn sich der Kunde verschreibt, muss ein neues Formular her. Durchstreichen geht nicht. Auch diesmal passt die nette Bankfrau genau auf, dass alles richtig ist. Dann verschwindet sie mit dem Formular. 15 Minuten dauert die Überweisung etwa. Japanische Gründlichkeit. Als die Bankfrau zurückkommt, dankt sie fürs Warten, entschuldigt sich, lächelt verständnisvoll und sagt: "Steuern sind zum Kotzen." Thomas Hahn

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Madrid

In der Innenstadtfiliale eines großen Mobilfunkbetreibers tippt der Angestellte die Passnummer seines deutschen Kunden zum dritten Mal in die Eingabemaske des Computers. Es um eine schlichte Prepaid-Sim-Karte, die man für vier Wochen mit 140 Gigabyte aufladen kann. Kostenpunkt 20 Euro. Ein Werbeangebot, das auf Plakaten und Flyern offensiv beworben wird. Aber der Computer will einfach nicht. Auch mit dem Rechner der Mitarbeiterin funktioniert es nicht. "Schon wieder", murmelt der Angestellte und schüttelt fast schon verärgert den Kopf. Das Problem scheint ihm nicht unbekannt zu sein. Schließlich knallt er den Pass auf den Tresen und sagt: "Hören Sie, auf der anderen Straßenseite, Hausnummer 91, da ist ein Chinese mit seinem Laden, der gibt Ihnen jede Telefonkarte, die Sie wollen." Tja, was soll man sagen: Das hat tatsächlich wunderbar geklappt. Patrick Illinger

(Illustration: Marc Herold) (Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Padua

Es geht nichts über die Bar, diesen Knotenpunkt italienischen Lebens. Der caffè ist immer gut, egal wo im Land und egal zu welcher Tageszeit. In der Bar vorbeizuschauen, das gehört zum Tagesablauf, morgens, nachmittags, abends. Weswegen man dachte: Zugabfahrt um sechs Uhr früh in Triest, da wird man schon vorher irgendwo einen Cappuccino bekommen. Aber dann: heruntergelassene Rollläden an der Bar am Bahnhofsvorplatz. Auch im Bahnhof: alles zu. Sechs Uhr früh ist dann doch zu früh. Also koffeinfrei eingestiegen, weitergedöst, bis bei Padua die Lust auf Kaffee zu groß wird. Man macht sich auf Richtung Bordbistro der frecciarossa, denkt an die Brühe aus dem ICE und beißt die Zähne zusammen. Aber dann bekommt man einen Cappuccino. Kaffee aus der Siebträgermaschine, die Milch frisch aufgeschäumt. Manche italienische Bar fährt auf Schienen. Elisa Britzelmeier

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