SZ-Kolumne "Mitten in ...":Diagnose: Telefonitis

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Die SZ-Autorin muss zum Durchchecken ins Krankenhaus und trifft auf die kurioseste Zimmernachbarin, die man sich nur vorstellen kann. Drei Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... München

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Die Kopfschmerzen sind so heftig, dass man sich nach allerlei Untersuchungen vor allem Ruhe wünscht. Auch die elegante ältere Dame im Krankenhausbett nebenan hat Kopfweh, aber das ist nicht ihr Hauptproblem. Ihr Handy klingelt. Die nächsten Stunden - das Telefon ist auf Lautsprecher gestellt - erfährt man alles über die Fehler einer Brandenburger Bank und die Wut eines Dubaier Geschäftspartners. "Die 4,2 Millionen müssen noch heute überwiesen werden, sonst platzt der Deal", ruft die Patientin. Der Mann, starker Akzent, droht mit der Polizei. Erst als die Visite ansteht, legt sie auf. Was sie von Beruf sei, fragt die Krankenschwester. "Rentnerin." "Brauchen Sie Schmerzmittel?" "Ein Ladekabel." Die Schwester schüttelt den Kopf. Noch einmal klingelt das Handy, dann ist der Akku endlich leer. Die Rentnerin seufzt, sinkt ins Kissen - und beginnt laut zu schnarchen. Anna Fischhaber

Mitten in ... Rottweil

Illustration: Marc Herold (Foto: Marc Herold)

Ein Besuch in Rottweil, der Vater hat Geburtstag. Er liebt Trüffelpralinen, also noch rasch einen Gang durch das bald 800 Jahre alte "Schwarze Tor" in die Fußgängerzone der "ältesten Stadt Baden-Württembergs" - und was für ein Glück, der Konditor hat auch am Sonntag geöffnet. Die Fassaden der mittelalterlichen Bürgerhäuser sind prächtig restauriert, alles strahlt im Glanz der schwäbischen Mittagssonne. Satte Erhabenheit an jeder Ecke, irgendwo plätschert immer ein Brunnen. Sollte man sich doch mal die Mühe machen, die kunstvoll verschnörkelten Inschriften zu entziffern, die manche der herrlichen Erker tragen? Vielleicht sind es ja berührende Gedichte. Oder sie enthalten Weisheiten der Staufer, von denen man lernen kann? Also liest man gleich die erste: "Bet und arbeit, / sei nicht faul. / Bezahl Deine Steuern / und halts Maul." Michael Ebert

Mitten in ... Sartène

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Im kleinen Coiffure-Salon im Souterrain, gegenüber der Place Porta von Sartène, begutachtet Monsieur Jean mit entsetztem Blick die Haare des deutschen Kunden, die er in Form bringen soll. Une catastrophe! "Das hat eine Frau geschnitten, oder? Das sehe ich! Das muss ein Mädchen gewesen sein!" Nun, tatsächlich ist der letzte Schnitt durch eine bayerische Friseurmeisterin eine Weile her, aber eigentlich war man da sehr zufrieden gewesen ... Offenbar ein Irrtum! "Sehen Sie diese Kante hier? Unverzeihlich! Da muss man jetzt sehr viel reparieren." Aha. Und wie lange wird das ungefähr dauern? Der korsische Altmeister - "Spécialiste Soins du Cheveu" steht auf seinem Schild, Haarpflegespezialist - schiebt die Schere beiseite und zieht einen alten elektrischen Langhaarschneider aus einer Tasche. "Zehn Minuten. Eher weniger." Claudio Catuogno

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