SZ-Kolumne "Mitten in...":Investigativ im Späti

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(Foto: /Illustration: Marc Herold)

Ein SZ-Autor bekommt es beinahe mit einem Leibwächter von Angela Merkel zu tun. Dabei wollte er doch nur ein Erinnerungsfoto. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Berlin

Hätte man vorhin an der U-Bahn keinen Eiskaffee gekauft, man hätte sie verpasst: die Ex-Kanzlerin. Mit dem iPad unterm Kostümärmel flitzt Angela Merkel durch die Ladentür des Spätis in einem Seitenarm der Friedrichstraße. Vorbei an Zeitungen und Kaugummis geht sie drinnen schnurstracks zur Poststelle. Schickt sie Barack Obama eine Flasche Berliner Luft? Oder holt sie ihr neues, abhörsichereres Handy ab? Man traut sich nicht, mit reinzugehen, denn die Tür bewacht ein Leibwächter, mustert einen aufmerksam, als denke er: Warum stellt der Typ seinen Eiskaffee ab und greift in die Tasche? Da eilt Merkel auch schon wieder aus dem Späti, gerade so kann man das Smartphone aus der Tasche fischen und zwei Bilder machen. Klick, klick. Für ein "Guten Morgen" reichen weder Zeit noch Mut, Merkel steigt schon in die Limo. Ade, Kanzlerin a. D. Tobias Bug

(Foto: /Illustration: Marc Herold)

Mitten in ... Bern

Ein Sommerabend im beschaulichen Berner Bezirk Kirchenfeld, wo alte Stadtgeschlechter in Villen wohnen, dazwischen Botschaftsgebäude und ein paar Mehrfamilienhäuser. Aus einem der benachbarten Gärten dringt ab dem frühen Abend Musik. Erstaunlich laute Musik - aber, so sagt man sich, um zehn ist sicher Schluss, schließlich ist das hier das Kirchenfeld. Um elf dauert der Spaß an. Mit wachsender Verwunderung lauscht man einem mitgegrölten "We will rock you", dann "Ghostbusters". Eigentlich würde man gerne bei den Kindern das Fenster öffnen, aber bei der Beschallung? Kurz vor Mitternacht: Ein Polizeiauto biegt in Richtung des Party-Gartens ab. Na endlich, denkt man beschämt. Aber still bleibt es nur kurz. Nach einem inbrünstig skandierten "Woop-woop, that's the sound of da police" kommt in voller Lautstärke "Waterloo". Isabel Pfaff

(Foto: /Illustration: Marc Herold)

Mitten in ... Tahitótfalu

Auf dem Biogemüsehof im nördlichen Ungarn leben die Tiere unbehelligt in seltener Eintracht: Die Schafe hängen mit den Minischweinen rum, die Hunde lassen die Katzen in Ruhe, dafür jagen diese nicht das Federvieh. Nur manchmal erwischt ein Fuchs ein Huhn, die Bäuerin hat ein verwaistes Küken von Hand aufgezogen. Das Hähnchen, das inzwischen fast ausgewachsen ist, sucht die Nähe der Menschen, rennt ihnen nach und gackert sie leise an. Wenn man sich hinsetzt, hat man bald das Pipihenderl neben sich auf der Bank oder gleich auf der Schulter, von wo es versucht, auf den Kopf zu klettern. Wenn es müde ist, setzt es sich einem auf den Schoß und lässt sich in den Schlaf streicheln. Während die Besucherin den leise gluckenden Vogel krault, verabschiedet sie sich in Gedanken etwas wehmütig von Paprikahuhn, Grillhähnchen und Chicken Curry. Für immer. Katalin Molnár

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