Schönheitswettbewerbe:Die neuen politischen Schönheitsköniginnen

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Jede und jeder sollte Schönheitskönigin werden dürfen, meint Chakrapong "Anne" Chakrajutathib, thailändische Transgender-Aktivistin und Unternehmerin. (Foto: Sakchai Lalit/dpa)

Lange galten Misswahlen als muffige Veranstaltungen mit einem Frauenbild aus dem vergangenen Jahrtausend. Doch nun die Revolution: Die "Miss Universe" darf künftig auch trans sein - und auch sonst wird der Wettbewerb umgedeutet.

Von David Pfeifer, Bangkok

Wer bei Misswahlen an triste Veranstaltungen in Freizeitparks und Discotheken denkt, hat noch nie gesehen, wie ernst sie in Lateinamerika oder Südostasien genommen werden. Da erlebt man Events, die es mit dem Eurovision Song Contest, der Oscar-Verleihung und einer Modenschau gleichzeitig aufnehmen können. Und die Reichweite in sozialen und herkömmlichen Medien ist so groß, dass die Wettbewerbe immer politischer werden, ob die Veranstalter es beabsichtigen oder nicht.

So verurteilte Thaw Nandar Aung als "Miss Grand Myanmar" auf offener Bühne die Junta in ihrem Land und musste vor wenigen Wochen nach Kanada fliehen. Die ukrainische Schönheitskönigin Olga Wasyliw klagte öffentlich über die Veranstalter des Wettbewerbs "Miss Grand International 2022" in Indonesien, weil sie mit der russischen Kollegin Ekaterina Astaschenkowa ein Zimmer teilen sollte. Das Motto der Veranstaltung war: "Stoppt die Kriege und die Gewalt".

Sie mussten einst dem heteronormativen Blick genügen

Es gibt Dutzende solcher Auszeichnungen, von der "Miss World" bis zur "Miss Globe", ähnlich wie bei Boxweltmeistern. Der "Miss Universe"-Titel gilt als der prestigeträchtigste, auch Donald Trump hielt eine Weile die Rechte daran. Dessen Sicht auf Frauen konnte man früher auch als Blaupause der Zulassungsbedingungen verstehen. Wie der Titel "Miss" andeutet, mussten die Teilnehmerinnen unverheiratet sein und eine deutliche, aber nicht zu selbstbewusste Sexyness verkörpern, heute würde man sagen: Sie mussten einem heteronormativen Blick genügen.

Doch mit der Gesellschaft verändern sich sogar solche Wettbewerbe. Vor Kurzem ging die Meldung um die Welt, dass "Miss Puerto Rico" und "Miss Argentinia" nun verheiratet sind - und zwar miteinander. Und der "Miss Universe"-Titel wechselt nach Thailand, und zwar nicht, weil ihn eine Miss gewonnen hätte, sondern durch den Kauf der Veranstaltungsrechte. Die hat sich die Unternehmerin und Transgender-Aktivistin Chakrapong "Anne" Chakrajutathip vor einigen Wochen gesichert, für 20 Millionen US-Dollar.

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Damit entwickelt sich Thailand zur "Supermacht der Schönheitswettbewerbe", wie das News-Portal Khaosod jubelte und auf die "Soft Power" der Veranstaltungen hinwies. Denn auch die größte Konkurrenz, der "Miss Grand International"-Wettbewerb wird von einem Thailänder ausgerichtet. Man kann sich das Schaulaufen auch als Ländervergleich vorstellen, von Venezuela bis auf die Philippinen.

Chakrapong, 43 Jahre alt, verkündete nun, dass sie den prestigeträchtigen Wettbewerb öffnen wolle, für verheiratete und geschiedene Frauen. Und auch für solche, die nicht als Frauen geboren wurden. Jede und jeder soll eine Schönheitskönigin sein dürfen. Sie selbst hat sich ihr Studium als Tankwart verdient, übernahm die schleppend laufende Videothek des Vaters. Heute ist ihre JKN Global Group ein multinationales Konglomerat, das Getränke und Kosmetika vertreibt sowie mehrere Fernseh-Netzwerke besitzt. Für diese müssen Inhalte produziert werden, von Homeshopping über Werbung - bis hin zu Miss-Wettbewerben. Um die Sendezeit zu füllen, müssen die Teilnehmerinnen also nicht mehr überholten Vorstellungen genügen. Aber sie sollten etwas zu sagen haben.

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