Mainz:Bombenbauer erhielt Betreuer mit Kontakt zu Salafisten

Lesezeit: 3 min

Mainz/Ludwigshafen (dpa/lrs) - Bei der Betreuung eines jugendlichen, mutmaßlichen Bombenbauers mit islamistischen Motiven ist ausgerechnet ein Psychologe mit Kontakten zur salafistischen Szene eingestellt worden. "Wir waren absolut schockiert über diese Nachricht", sagte die Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Jugendministerium, Christiane Rohleder, am Dienstag in Mainz zum Ergebnis einer nachträglichen Sicherheitsüberprüfung des 30-Jährigen. "Eine Stunde später war der Mann von der Betreuung abgezogen." Über den Fall hatte zuerst die SWR-Sendung "Report Mainz" berichtet.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Mainz/Ludwigshafen (dpa/lrs) - Bei der Betreuung eines jugendlichen, mutmaßlichen Bombenbauers mit islamistischen Motiven ist ausgerechnet ein Psychologe mit Kontakten zur salafistischen Szene eingestellt worden. „Wir waren absolut schockiert über diese Nachricht“, sagte die Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Jugendministerium, Christiane Rohleder, am Dienstag in Mainz zum Ergebnis einer nachträglichen Sicherheitsüberprüfung des 30-Jährigen. „Eine Stunde später war der Mann von der Betreuung abgezogen.“ Über den Fall hatte zuerst die SWR-Sendung „Report Mainz“ berichtet.

Die Hinweise auf Verbindungen zu der radikal traditionalistischen Strömung des Islams ergaben sich bei einer nachträglichen Sicherheitsüberprüfung aller sieben Betreuer des Jugendlichen in Ludwigshafen. Dabei hätten auch Polizeidienststellen und Nachrichtendienste aus Hessen und Bayern Erkenntnisse geliefert, sagte der Präsident des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes (LKA), Johannes Kunz. „Da geht es um Mitwirkung bei salafistischen Werbeaktivitäten und bei salafistischen Propagandaaktionen.“

Laut „Report Mainz“ soll der Mann an einer Koran-Verteilung der Aktion „Lies!“ teilgenommen haben - die dahinter stehende islamistische Vereinigung ist seit 2016 bundesweit verboten. Kunz sagte, der 30-Jährige mit Wohnsitz in Baden-Württemberg habe Kontakte zu Moscheen gehabt, „die wir der salafistischen Szene zuordnen“. Allerdings gebe es keine Anhaltspunkte, dass der Psychologe Straftaten geplant haben könnte.

Der von einem Träger der Jugendhilfe eingestellte Mann hatte vom 3. März bis 19. Mai Zugang zu dem Jungen, wie der Leiter des Jugendamts Ludwigshafen, Heinz-Jürgen May, mitteilte. Er war im Schichtdienst als einer von zwei Betreuern mit psychologischer Ausbildung eingesetzt, daneben waren noch fünf pädagogische Betreuer im Einsatz. Nach Mays Angaben war der Mann in der Regel nicht allein mit dem Jungen. 

Der heute 13-Jährige hatte nach Angaben des Mainzer Innenministeriums versucht, im Dezember vergangenen Jahres einen Sprengsatz in der Nähe des Weihnachtsmarkts von Ludwigshafen abzulegen. Er wurde danach zunächst in eine geschlossene Einrichtung gebracht. Seit dem 5. April befindet er sich in Obhut des Jugendhilfe-Trägers an einem sicheren Ort außerhalb von Ludwigshafen.

Mit dem Jugendhilfe-Träger arbeite das Jugendamt seit 2012 vertrauensvoll zusammen, sagte der Jugendamtsleiter. Die Stadt will daran festhalten. Zusammen mit der Ludwigshafener Jugenddezernetin Cornelia Reifenberg (CDU) wies May darauf hin, dass der Mann sofort entlassen worden sei. „Aus unserer Sicht wurde damit die Situation bereinigt“, sagte Reifenberg.

Bei der Einstellung von Betreuern wird ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Im Unterschied zu anderen Berufsgruppen gibt es keine gesetzliche Bestimmung für eine Sicherheitsüberprüfung. Diese sei dann am 7. April nach Überlegungen beim Jugendamt und dem LKA zusätzlich beschlossen worden; dazu müssen die Betroffenen ihre Einwilligung erklären. Die Unterlagen dafür lagen dem LKA nach Angaben ihres Präsidenten am 26. April vor.

Die CDU-Landtagsfraktion warf der Landesregierung und vor allem den Ministerien für Inneres und Integration vor, sie hätten die Stadt viel zu lange alleingelassen. Das habe sich schon bei der Suche nach einer angemessenen Einrichtung gezeigt. Es gebe ein Kompetenzwirrwar zwischen Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) und Innenminister Roger Lewentz (SPD), kritisierte der Vizevorsitzende der Fraktion, Christian Baldauf. Die AfD-Fraktion forderte den Rücktritt von Jugend- und Integrationsminsterin Spiegel. Der Fall zeige, dass das Ministerium „in allen sicherheitsrelevanten Bereichen völlig überfordert ist“, erklärte Fraktionsvize Joachim Paul.

„Wir haben den Eindruck, dass es uns langsam gelingt, einen Zugang zu dem Kind zu gewinnen“, sagte Jugendamtsleiter May. Das Amt gehe nicht davon aus, dass die Betreuung durch den Psychologen der angestrebten Deradikalisierung geschadet habe. Reifenberg sprach von einer günstigen Prognose. So höre der Junge wieder Musik, „was er vorher als nicht gottgefällig angesehen hat. Und er hat auch seine Haltung gegenüber Frauen verändert. Er hat gegrüßt, er hat ihnen die Hand gegeben“. Nach ihren Angaben ist die Familie des Jungen, die nicht strenggläubig ist, in das pädagogische Konzept einbezogen.

Der 13-Jährige lebt in einer Einrichtung, deren Fenster abgeschlossen sind. Es sei rund um die Uhr pädagogisches Personal anwesend, zudem werde die Einrichtung von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht, sagte May. Dessen Mitarbeiter seien überprüft, weil das vorgeschrieben sei. Wenn sich der Junge weiter positiv entwickele, strebe man an, dass er in einer Jugendgruppe unterrichtet werde. „Es gibt Einrichtungen mit Heimschulen“, sagte May. „Wir können den ja nicht wegsperren, bis er volljährig wird.“

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: