Venedig:Kreuzfahrtschiff rammt Touristenboot

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  • Ein riesiges Kreuzfahrtschiff hat auf einem befahrenen Kanal in der italienischen Lagunenstadt Venedig eine Anlegestelle und ein Touristenboot gerammt.
  • Mehrere Personen wurden offenbar verletzt, berichten italienische Medien.
  • Seit Jahren wird über die großen Kreuzfahrtschiffe in Venedig gestritten.

Ungebremst und mit lautem Hupen fährt das Kreuzfahrtschiff "Msc Opera" direkt auf die Anlegestelle zu. In Panik rennen Dutzende Passanten davon, einige schreien. Und dann passiert es schon: der Luxuskreuzer kracht in ein geparktes Touristenboot voller Reisegäste und schiebt es mit lautem Getöse zur Seite. Einige Minuten lang schrammt das riesige Schiff am Steg entlang, bis es endlich zum Stehen kommt. Ein Video auf Youtube dokumentiert den Unfall, der sich am Sonntagmorgen gegen 8.30 Uhr in der Lagunenstadt ereignet hat.

Nach Behörden-Angaben wurden dabei mindestens fünf Menschen verletzt. Sie seien alle zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht worden, hieß es. Der Unfall ereignete sich vormittags im zentralen Kanal von Giudecca an der Haltestelle San Basilio. Der Unfall löste viel Empörung aus und befeuerte in der Gondel-Stadt sofort die Debatte über die immer ungeliebteren Schiffskolosse.

An Bord des kleineren Schiffs sollen rund 130 Menschen gewesen sein. Einige von ihnen seien aus Angst ins Wasser gesprungen, so die Zeitung Nuova Venezia unter Berufung auf Augenzeugen.

Die US-Amerikanerin Lynn Balzer, die beim Unfall leicht verletzt wurde, wird den 2. Juni 2019 wohl niemals vergessen. Sie erzählte in einem Video der Zeitung Corriere del Veneto, dass sie mit ihrem Mann beim Kaffee auf dem Oberdeck des kleinen Boots saß und auf das Taxi zum Flughafen wartete, als plötzlich das riesige Schiff auftauchte. "Es kam näher und näher. Wir dachten: Klar, es wird noch an uns vorbeifahren. Das tat es aber nicht." Ein Besatzungsmitglied habe plötzlich gerufen: "Alle raus aus dem Boot. Lauft!" Aber plötzlich seien "der Landungssteg und alles kaputt gegangen", so die Frau. Ihre Tasche sei ins Wasser gefallen, sie habe Reisepass, Juwelen und Bargeld verloren.

Es habe im Boot und an der Anlegestelle Panik gegeben, berichteten die Zeitung Il Tempo und andere Medien. Besonders häufig habe man verzweifelte "Oh my god, oh my god!"-Schreie gehört, hieß es. "Alle haben geschrien, alle sind gelaufen (...) Ich wusste nicht, was ich tun sollte", sagte in einem Video ein junger Mann, der auf dem Touristenboot arbeitete und am linken Arm verletzt wurde.

Forderungen nach einem Verbot für große Schiffe werden laut

Ursache des Unglücks sei ein Motorschaden bei dem Kreuzfahrtschiff gewesen, sagte Davide Calderan, der Präsident der Schlepperfirma "Rimorchiatori Uniti Panfido". Der Motor der "MSC Opera", auf der mehr als 3500 Menschen Platz haben, sei blockiert gewesen, sagte Calderan. Er habe deshalb beim Anlegen selbstständig beschleunigt anstatt abzubremsen. Die Kreuzfahrtgesellschaft MSC Cruises sprach von einem "technischen Problem".

Italienische Medien veröffentlichten nach dem Unfall eine Tonaufnahme von Aussagen des Lotsen. Dieser sagte dem Notfallpersonal demnach, das Kreuzfahrtschiff habe einen Kontrollverlust erlitten und "alle Verfahren zur Vermeidung" eines Zusammenstoßes mit einem Flussboot und dem Kai in Gang gesetzt. Anker seien ausgeworfen worden und Schlepper, die mit dem Bug und dem Heck des Kreuzfahrtschiffs verbunden gewesen seien und versucht hätten, das Schiff zu stoppen. "Hier auf der Brücke verstehen wir nicht, was passiert ist", sagte der Lotse.

Der Unfall hätte in einer Tragödie enden können, klagte der Gouverneur der Region Venetien, Luca Zaia. Der Zwischenfall gebe den Forderungen nach einem Verbot des Einlaufs großer Schiffe in das San-Marco-Becken neue Nahrung. Man könne "nicht länger warten".

Die Vereinigung von Kreuzfahrtschiff-Gegnern Comitato Nograndinavi organisierte nach dem "gravierenden Vorfall" einen spontanen, kleineren Protest und rief für nächsten Samstag zu einer größeren Kundgebung auf. "Man kann nicht darauf warten, dass diese Monster erst von Toten gestoppt werden", hieß es auf Facebook. Seit Jahren wird über die Schiffskolosse in der Unesco-Welterbestadt gestritten, die von Millionen Touristen besucht wird. Kritiker wollen die großen Kreuzfahrtschiffe komplett aus der Lagunenstadt verbannen. Bisher fahren sie im Kanal von Giudecca in Sichtweite von Sehenswürdigkeiten wie dem Markusplatz.

Der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, berief für Sonntagnachmittag eine außerordentliche Sitzung des Ausschusses für Ordnung und Sicherheit ein. Das Unglück sei "der x-te" Beweis, dass in dem Kanal keine Kreuzfahrtriesen mehr fahren könnten, erklärte er. Auch Italiens Verkehrsminister Danilo Toninelli erklärte, die Stadt müsse besser geschützt werden.

Geplant ist, dass die besonders großen Kreuzfahrtschiffe eine weniger spektakuläre Route um die Stadt fahren und in der Industriegegend Marghera anlegen. Über dieses Projekt wird allerdings auch seit Jahren debattiert. Die Unesco hat Venedig bereits gewarnt, dass die Riesenschiffe das Welterbe gefährdeten. Umweltschützer mahnen wegen Risiken für das besondere Ökosystem der Lagune. Unternehmer sehen dagegen ihr Geschäft in Gefahr.

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