Königliche Geburt in London:Traditionstheater mit Kutschen und Kanonen

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Willkommen Royal Baby: Begrüßung mit Kanonenschüssen in der Nähe des Buckingham-Palastes (Foto: dpa)

Pränatale Diagnostik, 3-D-Ultraschallbild, Vaterschaftstest? Nein. Beim Kind von Prinz William und Herzogin Catherine wird eine quasi magische Geburt vorgespiegelt. Die britische Monarchie hat vielleicht ausgedient - als genealogisches Theater ist sie unverzichtbar.

Von Johan Schloemann

Mit der Weitergabe "blauen" Blutes ist das so eine Sache. Im Jahr 1649 zum Beispiel köpfte man den amtierenden Herrscher des Königreichs - bis heute die letzte antimonarchische Regung auf der Insel, die derart drastische Folgen hatte. Der Sohn des Hingerichteten, Charles II., durfte anschließend wieder regieren; aber während er mit Mätressen mindestens zwölf uneheliche Kinder gehabt haben soll, brachte er leider keinen einzigen legitimen Erben hervor.

Also kam sein Bruder auf den Thron, Jacob II. Der wiederum wurde aber nach vier Jahren verjagt, weil er katholisch war und seinen Untertanen einen ebenso katholischen Sohn präsentierte, der nach Meinung der protestantischen Mehrheit aber gar nicht echt, sondern in einer Wärmpfanne ins Kindbett geschmuggelt worden war. Seitdem musste aus Angst vor untergejubelten Nachkommen stets ein Vertreter der Regierung bei der königlichen Niederkunft dabei sein - eine Regel, an der noch bis zur Geburt des gegenwärtigen Thronfolgers, des Prince of Wales, im Jahr 1948 festgehalten wurde.

Heute geht es, nach den zwischenzeitlich wilden Jahren rund um Prinzessin Diana, deutlich weniger turbulent zu. Niemand verlangt von Prinz William einen Vaterschaftstest zum Beweis der Legitimität des neuen Erben, eine Methode, die bei Erbfolgestreitigkeiten in früheren Jahrhunderten bestimmt verwendet worden wäre, wenn es sie schon gegeben hätte.

Traditionstheater mit Kutschen und Kanonenschlägen

Überhaupt wird der medizinisch-technische Fortschritt vom englischen Hof erfolgreich ausgeblendet: Keine pränatale Diagnostik, kein 3-D-Ultraschallbild ist während der Schwangerschaft nach außen gedrungen. Das Mysterium einer natürlichen Erbfolge aus Gottes Gnaden ist erstaunlich intakt. Je bürgerlicher und politisch machtloser die Königlichen in Wirklichkeit werden, je mehr Celebrity, desto wichtiger scheint es zu sein, dass die Institution der Monarchie in existenziellen Momenten vormoderne Rituale aufführt: Traditionstheater mit Kutschen und Kanonenschlägen bei Hochzeiten, Jubiläen und Beerdigungen. Und eben die Vorspiegelung einer quasi magischen Geburt ohne jedes Zutun von Gentechnik und Biomedizin.

Königliche Geburt in London
:Großeltern und die Welt gratulieren

Nein, Kate und William haben das Krankenhaus noch nicht verlassen. Nein, es gibt noch kein Foto des Babys. Das einzige, was aus dem Krankenhaus dringt, ist eine staatstragende Nachricht der frischgebackenen Eltern.

Wer einwendet, dass das blaue Blut doch durch bürgerliche Gene verwässert werde, sollte sich vor Augen führen, dass früher die Genealogie des Hochadels auch schon ziemlich verschlungen war. Als das Haus Stuart ausstarb, zu dem die anfangs erwähnten Könige gehörten, wurde die britische Thronfolge durch Einheirat in deutsche Adelshäuser fortgesetzt: zuerst das Haus Hannover von 1714 an - da setzt der hier abgebildete Stammbaum ein -, dann das Haus Sachsen-Coburg & Gotha seit der Herrschaft von Königin Victoria (1837). Diese deutsche Herkunft setzt sich bis heute fort, auch wenn die Dynastie im Ersten Weltkrieg (1917) in "Haus Windsor" umbenannt wurde.

Es ist übrigens das erste Mal seit knapp 120 Jahren, dass ein amtierender Monarch die Geburt eines Urenkels in direkter Thronfolge erlebt. Jetzt müssen sich gleich drei Jungs in Geduld üben.

© SZ vom 24.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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