Prozess in Köln:Tödlicher Test auf Schwangerschaftsdiabetes

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In dieser Apotheke in Köln-Longerich wurde die verunreinigte Glukoselösung hergestellt. Eine schwangere Frau überlebte die Einnahme, eine andere starb an multiplem Organversagen, ebenso wie ihr Kind. (Foto: Marcel Kusch/picture alliance/dpa)

Eine werdende Mutter und ihr Baby sterben, nachdem sie eine verunreinigte Zuckerlösung getrunken hat. Nun beginnt der Prozess gegen die Apothekerin. Die zentrale Frage: Hat die Pharmazeutin versucht, ihren Fehler zu vertuschen?

Von Björn Finke, Brüssel

Eine Schwangere geht zum Frauenarzt, für einen Routinetest auf Diabetes. Aber die Glukoselösung, also das Zuckerwasser, das sie dafür trinken muss, ist verunreinigt - und die Frau und ihr Ungeborenes sterben. Diese Tragödie ereignete sich vor vier Jahren in Köln. Ein Jahr später erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Apothekerin, die das Gemisch hergestellt hat. Doch erst an diesem Donnerstag beginnt vor dem Landgericht Köln der Strafprozess. Grund der Verzögerungen sei schlicht Überlastung, heißt es beim Gericht.

Die heute 52-jährige Apothekerin soll der Anklage zufolge ähnlich aussehende Gefäße verwechselt haben, wodurch die Glukose, also der Traubenzucker, mit einem Betäubungsmittel verunreinigt wurde. Bei dem Test trinken die Frauen die Lösung. Danach prüfen die Ärzte, wie sehr der Blutzuckerspiegel gestiegen ist und ob vielleicht Diabetes vorliegt.

Eine Schwangere trank nur einen Schluck von der vergifteten Lösung; ihr war der bittere Geschmack aufgefallen. Sie kam ins Krankenhaus, erholte sich aber rasch. Zwei Tage später trank die nächste Schwangere die Glukoseabfüllung komplett aus. Die 28-Jährige verlor daraufhin das Bewusstsein. Im Krankenhaus konnten weder sie noch das Baby gerettet werden, das in der 25. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt zur Welt kam. Beide starben an multiplem Organversagen.

Die Anklage lautet nun auf fahrlässige Körperverletzung und Tötung sowie auf versuchten Mord durch Unterlassung. Dieser zweite Anklagepunkt ist etwas kompliziert. Die Begründung der Staatsanwaltschaft: Die gynäkologische Praxis und das Krankenhaus meldeten sich nach dem Zusammenbruch der zweiten Schwangeren bei der Apothekerin, die Frau kontrollierte dann auch ihre Arzneibestände. Daher müsse ihr schon wenige Stunden nach dem Kollaps der Frau die Ursache der Vergiftung klar geworden sein. Doch sie habe es unterlassen, dies dem Krankenhaus mitzuteilen. Hätten die Ärzte gewusst, welches Betäubungsmittel die Patientin vergiftet hat, hätten sie die Frau besser behandeln können. Die Apothekerin habe mit ihrem Verhalten den Tod der Schwangeren billigend in Kauf genommen, erklärt die Staatsanwaltschaft.

Der Anwalt beteuert die Unschuld

Die Anklage lautet freilich nur auf versuchten Mord durch Unterlassung, obwohl die Frau tatsächlich verstarb. Dies liegt daran, dass unklar ist, ob mehr Informationen für die Ärzte wirklich das Leben des Opfers gerettet hätten. Die Staatsanwaltschaft hält es aber für unstrittig, dass die Apothekerin zumindest versucht habe, die Frau durch Zurückhalten der Angaben zu töten - um ihre Fehler nicht eingestehen zu müssen.

Der Rechtsanwalt der Apothekerin, Morton Douglas, sagte nach der Anklageerhebung, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien abwegig, spekulativ und befremdlich. Es sei gar nicht klar, wie genau es zu der Verunreinigung der Glukose kam. Zudem habe die Apothekerin das Glukosegefäß dem Krankenhaus sofort zur Überprüfung ausgehändigt - das passe nicht zur Argumentation der Anklage, die Frau habe Informationen zurückgehalten, um etwas zu vertuschen.

Das Gericht hegt bei diesem Anklagepunkt offenbar ebenfalls ernste Zweifel. Die Richter haben zwar den Vorwurf des versuchten Mordes zur Verhandlung zugelassen. Und Anklagepunkte werden nur dann akzeptiert, wenn die Richter auf Grundlage der Akten davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung größer als 50 Prozent ist. In der Begründung der Zulassung betonen die Richter aber, diese Marke werde lediglich gerade noch so überschritten. Für den Prozess sind 21 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt; geladen sind viele Zeugen und Sachverständige.

Der Todesfall vor vier Jahren führte auch zu einer Diskussion, ob Apotheken solche Mittel für Tests auf Diabetes überhaupt herstellen sollten. Denn es gibt Fertigpräparate. Allerdings legten die Kassenärztlichen Vereinigungen 2016 fest, dass nur noch selbst angerührte Lösungen erstattet werden - diese sind billiger.

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