Düsseldorf/Wuppertal (dpa) - Die Amoktat an einem Wuppertaler Gymnasium ist aus Sicht des Kölner Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten Christian Lüdke ein Beispiel für zunehmende Gewaltdelikte unter gleichaltrigen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Zwar zeigten die polizeilichen Kriminalstatistiken keinen drastischen Anstieg bei der Gesamtzahl solcher Fälle, allerdings nehme die Brutalität und der Einsatz von Messern und anderen Waffen zu, sagte Lüdke am Freitag im „Morgenecho“ von WDR 5.
Häufig gebe es schon sehr früh Indizien in der Familie, wenn ein Kind abdrifte. „Zunächst, dass Kinder entweder sehr ruhig sind, verstummen, wenig soziale Kontakte haben oder relativ früh schon sehr aggressiv sind, teilweise dann Gewalt verherrlichen“, beschrieb der Trauma-Therapeut Verhaltensauffälligkeiten. Leider werde darauf häufig nicht reagiert.
Tatsächlich sei schon das Elternhaus ein großer Risikofaktor bei der Entwicklung gewalttätiger Kinder, erklärte Lüdke, der auch als psychologischer Ausbilder von Spezialeinheiten der nordrhein-westfälischen Polizei gearbeitet hat. „Häufig haben solche Jugendliche Eltern, die selbst Gewalt tolerieren oder selber sehr aggressiv sind.“
In diesen Familien gebe es oft keine starke emotionale Bindung, so dass die Kinder häufig kein Mitgefühl für Andere entwickeln könnten. „Von daher verfallen sie dann in eine Art gefühlsmäßige Vollnarkose“, sagte der Experte. „Sie fühlen sich ohnmächtig und durch die Gewaltausübung verwandeln sie das Gefühl von Ohnmacht in ein kurzzeitiges Erleben von Allmacht. Im schlimmsten Fall nach dem Motto: Ich bin Herr über Leben und Tod.“
Was ist in Wuppertal passiert?
Ein Wuppertaler Gymnasium hatte am Donnerstagvormittag Amokalarm ausgelöst, nachdem ein 17-Jähriger mit mehreren Waffen auf Mitschüler eingestochen haben soll. Die Polizei gab die Zahl der verletzten Opfer zunächst mit vier an, hinzu kommt der mutmaßliche Angreifer. Er und zwei Schüler mussten auf der Intensivstation behandelt werden. Am Freitagnachmittag soll es mehr Ermittlungsdetails von Polizei und Staatsanwaltschaft geben.
Erst vor wenigen Tagen waren zwei junge Basketballspieler aus der Ukraine am Oberhausener Hauptbahnhof niedergestochen worden. In diesem Fall gelten vier 14- bis 15-jährige Jugendliche als dringend tatverdächtig und sitzen in Untersuchungshaft.
© dpa-infocom, dpa:240223-99-93689/2