Jugendliche in Europa:Glücklich, aber müde

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Junge Menschen in Europa denken über ihre Zukunft immer pessimistischer. (Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa)

Einer Studie zufolge sehen junge Menschen in mehreren europäischen Ländern ihre Zukunft immer pessimistischer. Vor allem denken sie, dass es ihnen schlechter gehen wird als ihren Eltern.

Von Simon Sales Prado

Die junge Generation in Europa blickt zunehmend pessimistisch auf ihre eigene Zukunft. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Tui-Stiftung in sieben vorwiegend mittel- und westeuropäischen Ländern. Zwar schätzen junge Erwachsene ihre eigene finanzielle Lage grundsätzlich besser ein als die wirtschaftliche Situation in dem Land, in dem sie wohnen. Auf die Frage, wie es ihrer Generation im Vergleich zu der ihrer Eltern gehen wird, glaubt die Mehrheit jedoch, dass sie es schlechter haben wird.

Für die siebte repräsentative Jugendstudie "Junges Europa" der Tui-Stiftung wurden im März 7085 junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren befragt. Die jungen Erwachsenen stammen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Polen und Großbritannien, sie haben mitunter Fragen zu ihrer persönlichen Lebenswelt, der Rolle der EU und ihrem Vertrauen in den Staat beantwortet.

Einen klaren Effekt durch Ukrainekrieg oder Pandemie gibt es nicht, das Lebensgefühl trübt sich längerfristig

"Der Optimismus junger Menschen in Europa schwindet, der Pessimismus ist auf dem Vormarsch", sagt Thorsten Faas. Der Politikwissenschaftler von der Freien Universität in Berlin hat die Studie wissenschaftlich begleitet. Er sagt: Einen einschneidenden Effekt durch den Krieg in der Ukraine oder die Pandemie habe es nicht gegeben, stattdessen trübe sich das Lebensgefühl bereits längerfristig. Das wird auch erkennbar, wenn man die aktuellen Ergebnisse mit den Studienergebnissen der Vorjahre vergleicht. Der grundsätzliche Trend deckt sich auch mit anderen Erhebungen wie etwa der "Sinus-Jugendstudie".

Die jungen Menschen, die in der aktuellen Studie der Tui-Stiftung nach Ländern unterschieden werden, zeigen entlang von Faktoren wie Geschlecht, Klasse oder Herkunft teils deutliche Unterschiede: Frauen sind eher bereit, den eigenen Lebensstandard zugunsten des Klimas einzuschränken, Männer behaupten häufiger von sich, politische Fragen gut zu verstehen und einzuschätzen. Heranwachsende mit überdurchschnittlichem Lebensstandard haben größeres Vertrauen in Wissenschaft, Polizei und Gerichte als jene mit niedrigerem Standard.

Gemeinsam ist den jungen Menschen allerdings ein großes Ungleichheitsempfinden, soziale Unterschiede sind ihnen bewusst. Rund zwei Drittel der Befragten nehmen das Einkommen im eigenen Land als ungleich verteilt wahr, ähnlich sieht es bei verwandten Themen wie Wohnen oder Karrieremöglichkeiten aus. Weniger als die Hälfte halten die Bildungschancen in ihrem Land für gerecht verteilt, die Bildungssysteme der einzelnen Länder werden überwiegend schlecht bewertet.

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Es ist wohl auch dieses Ungleichheitsempfinden, das zum schwindenden Vertrauen junger Menschen und zur wachsenden Politikverdrossenheit führt. Ein Viertel der befragten jungen Erwachsenen fühlt sich nicht von der Politik vertreten. In allen der sieben Länder, aus denen die Befragten stammen, ist das Vertrauen in EU-Institutionen größer als das in nationale politische Institutionen, in allen Ländern ist im Vergleich zu vor fünf Jahren das Vertrauen in die Polizei gesunken.

Thorsten Faas zufolge sind die Erwartungen junger Generationen an den Staat und an politische Akteurinnen und Akteure größer und vielschichtiger geworden. "Sie fordern, Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen oder mit Migrationshintergrund stärker als bisher in der Politik zu berücksichtigen." Wenn die Politik dies nicht auffange, führe das zu Stress im System, so Faas.

Rund ein Drittel glaubt, dass Mittel des zivilen Ungehorsams dem Anliegen schaden

Bei der Frage, wie man mit der Unzufriedenheit umgeht, und welche Formen des Ausdrucks politischer Positionen angemessen sind, zeigen sich die Befragten grundsätzlich offen. Rund ein Drittel glaubt allerdings, dass Mittel des zivilen Ungehorsams dem Anliegen schaden, knapp ein Viertel glaubt an positive Auswirkungen - illegale Formen wie Sachbeschädigung werden mehrheitlich abgelehnt.

Immerhin: Den eigenen momentanen Gefühlszustand beschreiben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie besonders häufig mit "gut", "glücklich" oder "müde". Den der meisten anderen Menschen in Deutschland dagegen mit "unsicher", "ängstlich" oder "besorgt".

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