Stilkritik:Eiapopeia und Heiopeis

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"Die Migrationsgesellschaft ist keine Eiapopeia-Veranstaltung", soll Joschka Fischer gesagt haben. Aber was hat er damit eigentlich gemeint?

Von Martin Zips

"Die Migrationsgesellschaft ist keine Eiapopeia-Veranstaltung", wird der wohl epochalste aller deutschen Außenminister, Joschka Fischer, in der Neuen Zürcher Zeitung zitiert. Da stellt sich die Frage, wie er das denn gemeint haben könnte.

Musikalisch handelt es sich bei "Eiapopeia" zwar um ein Wiegenlied. Beruhigt schlafen aber dürfte es niemanden lassen, schließlich ist dort davon die Rede, dass dem Schuster sowohl Leder als auch Leisten fehlen, um (in diesem Fall den "lieben Gänslein") Schuhe zu fertigen. Auch in Engelbert Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel" bittet der hungrige Hänsel gleich zu Beginn des ersten Aktes um etwas Geld: "Eiapopeia, das ist eine Not!/Wer schenkt mir einen Dreier zu Zucker und Brot." Und in Alban Bergs Oper "Wozzeck" wird Eiapopeia zum bitteren Lied der verlassenen Mutter ("Eiapopeia, mein süßer Bu',/Gibt mir kein Mensch nix dazu.") Auch Bertolt Brecht lässt "Eiapopeia" singen. Von Mutter Courage nämlich, die durch den Krieg ihre drei Kinder verliert.

Bei so viel Leid: Wollte Fischer eigentlich sagen, dass gerade in einer Eiapopeia-Gesellschaft die Menschen stets Leder, Leisten, Zucker und Brot miteinander teilen sollten, damit es friedlich bleibt? Wahrscheinlich. Für viele Menschen ist das Leben ja ohnehin keine Heidschi-Bumbeidschi-Veranstaltung. Übrigens: Auch dieses Wiegenlied ist natürlich alles andere als harmlos. Die Mutter sei ausgegangen, heißt es hier, sie komme nicht mehr heim "und låßt dås kloan Biabele gånz alloan!" Mit dem "Heidschi Bumbeidschi", der in der vierten Strophe auftaucht, um das schlafende Kind für immer mitzunehmen, ist der Tod gemeint.

So viel an dieser Stelle zum Thema Eiapopeia und Heidschi Bumbeidschi. Und, logisch, wer kein Heiopei ist, der hat das alles eh schon gewusst.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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