SZ-Kolumne "Bester Dinge":Bleibendes Aroma

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Er ist kein Wohlfühlgewürz. Nicht nach Knoblauch zu riechen, ist deshalb eine Variante der japanischen Höflichkeit. (Foto: KJPeters/imago images/Beautiful Sports)

Knoblauch verursacht Mundgeruch. In Japan nimmt man ihm das übel. Doch plötzlich wird viel mehr davon gegessen. Wie kann das sein?

Von Thomas Hahn, Tokio

Es gibt neue Nahrung für das Gerücht, dass es sich bei der Pandemie um eine Verschwörung der japanischen Knoblauch-Industrie handelt. Die Zeitung Mainichi berichtet, dass nach Daten der Marktforschungsfirma Intage Inc. aus Tokio der Umsatz von Knoblauchprodukten in Japan seit Beginn der Coronaviruskrise um etwa 34 Prozent angestiegen sei. Um 34 Prozent! Ein kühner Traum der nationalen Knoblauch-Lobby ist wahr geworden - und das ist natürlich verdächtig. Gerade im Inselstaat kämpfte sie immer gegen Vorurteile und soziales Stigma.

Denn es stimmt ja: Knoblauch ist nicht Basilikum oder Thymian, kein mildes Wohlfühlgewürz also, das sich auf seine geschmacklichen Qualitäten beschränkt. Der Knoblauch will zeigen, dass er im Essen drin war. Er lässt sich nicht einfach runterschlucken wie eine beliebige Salzkartoffel oder ein Pfeffersteak. Er verleiht der Atemluft seiner Genießer ein bleibendes Aroma. Er erschafft sozusagen seinen eigenen unverkennbaren Wind, mit dem er mindestens bis zum nächsten Zähneputzen in Erinnerung bleibt.

Knoblauch verursacht Mundgeruch, so ist es halt. In anderen Ländern wie Südkorea oder Griechenland nimmt man das dem Knoblauch nicht so übel. In Japan schon. Die Menschen fallen sich hier gegenseitig ungern zur Last. Nicht nach Knoblauch zu riechen, ist eine Variante der japanischen Höflichkeit. Neben speziellen Anti-Mundgeruch-Kapseln war der Verzicht deshalb immer verbreitet. Was hätte der Knoblauch-Industrie da mehr nützen können als ein Umfeld, in dem man sorgenfrei Knoblauch konsumieren kann. Distanz-Gebote und Maskenpflicht kamen da sehr gelegen.

Die Pandemie ist längst nicht mehr das, was sie mal war. Auch in Japan sind die Leute wieder auf den Straßen. Immerhin, die meisten tragen dabei weiterhin Masken. Ob aus Corona-Angst oder weil sie stinken, ist schwer zu sagen. Aber der Knoblauch ist eindeutig ein Gewinner dieser seltsamen Zeit.

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