Japan:Eine Erschütterung, die schlimme Erinnerungen weckt

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In Wajima in der Präfektur Ishikawa hat das Beben Böden und Straßen aufgerissen. (Foto: Yusuke Fukuhara/Yomiuri Shimbun/AFP)

Ein Erdbeben der Stärke 7,6 lässt die japanische Hauptinsel Honshu wackeln. Ein großer Tsunami wie 2011 bleibt zwar vorerst aus, aber gefährlich bleibt die Lage trotzdem.

Von Thomas Hahn, Tokio

Es war ein paar Minuten nach vier am Neujahrstag, als die Mobiltelefone in Tokio Alarm schlugen. "Jishin desu! Jishin desu!" Erdbeben! Erdbeben! Signale von einigen der über 4200 Seismografen im Inselstaat hatten das Frühwarnsystem des japanischen Wetteramtes ausgelöst und den gellenden, durchdringenden Ruf in die Handytaschen der Stadtbevölkerung getragen. Einen Augenblick später bewegte sich die Erde. Für einige Sekunden fühlte es sich an, als säße man auf einem sanft schwankenden Schiff. Ungewöhnlich lange war das so, aber mehr passierte nicht. In Japans Hauptstadt konnte der Alltag weitergehen. Auf der anderen Seite der japanischen Hauptinsel Honshu hingegen begann in diesem Moment eine lange Nacht voller Angst und Sorge, die im Inselstaat schlimme Erinnerungen weckte.

Dieses Erdbeben, das am Montag um 16:10 Uhr von der Halbinsel Noto in der Präfektur Ishikawa aus bis nach Tokio ausstrahlte, war auch für die an Erdbeben gewohnten Japaner keine Erschütterung wie jede andere. Es war der Höhepunkt einer ganzen Serie von Beben am Neujahrstag. Die Behörden bezifferten die Stärke auf 7,6 - damit erreichte es die höchste Stufe auf der Skala, mit der Japans Wetteramt die Intensität eines Bebens einordnet. Stufe sieben: aufrecht stehenbleiben unmöglich.

(Foto: SZ-Karte: saru; Quelle: USGS)

Vor allem aber löste das Beben eine "große Tsunami-Warnung" für die Präfektur Ishikawa aus. Zeitweise gab es die Befürchtung, Wellen von fünf Metern Höhe könnten die Küste am Japanischen Meer treffen. Es war die erste "große Tsunami-Warnung" seit dem verheerenden großen Ost-Japan-Erdbeben vom 11. März 2011. Damals starben knapp 20 000 Menschen und eine der Riesenwellen löste eine dreifache Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi aus.

Sorgen um Atomkraftwerke

Das Beben 2011 hatte eine Stärke von 9,0. Es war das stärkste jemals in Japan gemessene Erdbeben, deutlich stärker also als das von Ishikawa. Aber die Tsunami-Gefahr war auch dieses Mal eindeutig, die Aufrufe an die Bevölkerung eindringlich. Über 51 000 Menschen in fünf Präfekturen am Japanischen Meer wurden aufgerufen, unverzüglich ihre Häuser zu verlassen und sich an höher gelegenen Orten ihrer Städte in Sicherheit zu bringen. Premierminister Fumio Kishida persönlich appellierte an die Menschen: "Sofort in Sicherheit bringen." Soldaten rückten aus, um zu helfen. Und natürlich richteten sich wieder bange Blicke auf die Kernkraftwerke an der betroffenen Küstenlinie. Die Regierung beruhigte: Es gebe keine Anzeichen auf außergewöhnliche Schäden an Reaktoren.

Vor allem aus Wajima auf der Halbinsel Noto kamen dramatische Nachrichten. Sechs Menschen seien in ihren Häusern verschüttet worden, teilten die Behörden mit. Ein Großbrand brach aus. Ein Bild aus der Stadt zeigte eine zerrissene Straße, auf der verängstigte Menschen warten. In der ganzen Präfektur Ishikawa waren rund 32 500 Haushalte ohne Strom. Wajimas Hafen erreichte ein Tsunami von mindestens 1,2 Metern Höhe. Meldungen von kleineren Tsunamis und Erdbeben-Verletzten kamen unter anderem aus den Präfekturen Toyama, Niigata und Fukui.

In einigen Städten, wie hier in Wajima, klaffen plötzlich beachtliche Risse. (Foto: Imago/Kyodo News)

Nach vier Stunden am Montagabend milderte das Wetteramt seine Tsunami-Warnung für Ishikawa etwas ab. Die Gefahr, dass ganz große Wellen ans Land schlagen würden, bestand nicht mehr. Zurück in ihre Häuser konnten die Menschen trotzdem nicht gleich. Am späteren Abend meldete der Sender NHK, in Ishikawa seien zwei Menschen infolge des Erdbebens ums Leben gekommen. Das volle Ausmaß der Schäden konnte in der Nacht noch niemand absehen. Und das Wetteramt warnte, dass die Krise noch nicht vorbei sei. In den nächsten Tagen könnte es weitere starke Erdbeben geben.

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