Nach dem Hochwasser:Kein Mob, keine Horden

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Die Polizei, hier in Erftstadt-Blessem in Nordrhein-Westfalen, hat bislang so gut wie keine Fälle von Plünderungen verfolgen müssen. (Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Die Polizei hat Beamte dazu abgestellt, Fälle von Plünderungen in den Hochwassergebieten zu verfolgen. Doch es gibt kaum Diebstähle, dafür aber viel Hilfsbereitschaft.

Von Nina von Hardenberg

"Horden, die Kaufhäuser leergeräumt haben, gab es hier definitiv nicht", sagt Andreas Müller, Pressesprecher der Polizei Aachen. Am Freitag hatte die Polizeidirektion bekannt gegeben, dass in den vom Hochwasser betroffenen Gemeinden Stolberg und Eschweiler fünf Strafverfahren wegen Diebstahls eingeleitet worden waren. Die Medien berichteten daraufhin von Plünderungen. Am Sonntag nun war die Polizei bemüht, dieses Bild wieder einzufangen. "Ich war damit sehr unzufrieden, dass sich die Presse so darauf gestürzt hat", sagte der Sprecher.

Konkret war in Stolberg ein Mensch dabei beobachtet worden, wie er vor einem Juweliergeschäft einen Gegenstand aufhob. Als Zeugen ihn ansprachen, ließ er diesen fallen. Die Polizei konnte ihn später stellen. Ähnlich erging es zwei Frauen und einem Mann, die in einem Supermarkt aufgefallen waren, und einem Mann in einer Apotheke in Eschweiler. Fünf Anzeigen in den zweieinhalb Tagen. Das sei sicher kein Mob, betonte der Sprecher.

Auch das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen bestätigte, dass bislang keine größeren Probleme gemeldet worden seien. "Die Polizei hat das aber genau im Blick. Sie muss das auch im Blick haben", sagte eine Sprecherin. So schickte die Polizei Köln 500 Beamte in den Rhein-Sieg-Kreis und in den Kreis Euskirchen - 300, die sich unter anderem um die Vermisstensuche kümmerten, und 200 weitere im Rahmen des sogenannten Raumschutzkonzeptes. "Sie sperren zerstörte Straßen, fahren Streife und sind so für die Bewohner ansprechbar, auch dort, wo der Notruf noch nicht wieder funktioniert", erklärte ein Sprecher der Polizei Köln. Auch Hinweisen auf Einbrüche und Diebstahl seien die Beamten nachgegangen. Bislang konnten aber noch keine festgestellt werden.

Appell an Katastrophentouristen

Der Kölner Polizeisprecher rief außerdem dazu auf, Fahrten in die überfluteten Ortschaften zu unterlassen: "Wer jetzt glaubt, er müsste mit dem Motorrad in das Katastrophengebiet fahren, um Fotos zu machen - davon raten wir dringend ab." Anders als das Gaffen bei einem Autounfall seien solche Touren zwar nicht strafbar, sie behinderten aber dennoch die Rettungs- und Aufräumarbeiten. Die wenigen unzerstörten Straßen sollten für den Katastrophenschutz freigehalten werden. Zuvor hatte auch die Polizei Mainz per Twitter Motorradfahrer gebeten, solche Ausflüge zu unterlassen. Einen fürs Wochenende geplanten Aktionstag Motorrad hatte die Mainzer Polizei abgesagt.

Vergleichsweise ruhig blieb es offenbar auch im besonders schwer getroffenen Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, in dem 110 Menschen bei den Überschwemmungen ums Leben gekommen sind und wo in vielen Orten noch immer sowohl das Strom- als auch das Telefonnetz ausgefallen ist. Der Polizei Koblenz wurde dort für die Nacht zum Sonntag lediglich ein Diebstahl und eine eingeschlagene Autoscheibe gemeldet.

Noch sei es zu früh, um das Bild abschließen zu bewerten, sagte Polizeisprecher Müller aus Aachen. Manche Diebstähle würden womöglich erst noch gemeldet, wenn die Besitzer nach und nach in die zerstörten Läden zurückkehrten. Eine andere Botschaft aber war ihm wichtig: Dominiert habe in den vergangenen Tagen die überragende Solidarität der Anwohner untereinander: "Es gab spontane Spendenaktionen und viel gegenseitige Hilfe."

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