Vorwürfe gegen Reederei der "Costa Concordia":Schwesterschiff soll schon 2005 auf Grund gelaufen sein

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Während die Taucher vor Giglio ihre gefährliche Suche im Wrack der "Costa Concordia" fortsetzen, werden die Vorwürfe gegen die Reederei lauter: 2005 soll schon einmal eines ihrer Schiffe auf Grund gelaufen sein, berichtet ein Augenzeuge von damals. Der Vorfall sei vertuscht worden - mit einer haarsträubenden Erklärung.

Lena Jakat

Sie sprengen Löcher in die Außenwand der Costa Concordia und räumen im Inneren des Wracks Mobiliar und andere Gegenstände beiseite. Gänge und Decks sind blockiert, die Suche der Taucher ist lebensgefährlich und mühsam. Im besten Falle können sie darauf hoffen, die Leichen weiterer Vermisster zu bergen und so den Familien Gewissheit zu verschaffen. Auf der anderen Seite des Atlantik drohen unterdessen der Mutterfirma des Costa-Konzerns juristische Konsequenzen.

Bis Ende dieser Woche will der italienische Verbraucherschutzbund Codacons Sammelklage gegen den US-amerikanischen Mutterkonzern der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere einreichen. Gemeinsam mit zwei US-Anwaltskanzleien will Codacons den Konzern Carnival auf Entschädigungszahlungen verklagen. Der Verband fordert von dem Ferienanbieter aus Miami 123.000 Euro - für jeden Passagier. An der Klage beteiligen sich mehr als 100 Menschen aus verschiendenen Ländern.

Ehemaliger Bordfotograf erhebt schwere Vorwürfe

Die Kritik an den Betreibern des havarierten Kreuzfahrtriesen wird indes schärfer. Zunächst hatte der Kapitän der Costa Concordia im Zentrum der Vorwürfe gestanden. Francesco Schettino verwies von Anfang an darauf, dass die "Verbeugung" genannten gefährlichen Manöver in Küstennähe üblich waren und von seinem Arbeitgeber auch eingefordert wurden. In den mittlerweile veröffentlichten Verhörprotokollen ist dies ausführlich nachzulesen.

Doch nicht nur der Kapitän, der seit dem Unglück unter Hausarrest steht, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Reederei. In der britischen Tageszeitung Independent berichtet der Fotograf Roberto Cappello von einem ganz ähnlichen Vorfall, der sich bereits 2005 auf dem Schwesterschiff der Costa Concordia, der Costa Fortuna, ereignet habe.

Am 24. April 2005 verließ das Schiff Savona mit Kurs auf Palermo. "Wir waren nah, sehr nah an der Küste - etwa 200 Meter - als wir auf Grund liefen. Es gab einen lauten Knall." Das Schiff schwankte, Teller rutschten von den Tischen, die Passagiere gerieten in Angst - so schildert Cappello, der als offizieller Bordfotograf auf dem Schiff arbeitete, die Szenerie von damals.

Nach dem Vorfall ging er in den Rumpf des Schiffes, wo er einen Riss in der Außenwand entdeckte "eine Armlänge tief und Dutzende Meter lang". Eine Schiffsschraube sei ebenfalls beschädigt gewesen. Cappello fotografierte den Schaden. Als er das Schiff verließ, sei er jedoch gezwungen worden, die Bilddateien auf seiner Kamera abzugeben. Die offizielle Version von Costa Crociere: Das Schiff sei mit einem Wal zusammengestoßen. "Man hätte darüber lachen können", kommentiert Cappello, "wenn die ganze Sache nicht so ernst und furcherregend gewesen wäre."

Vorwürfe gegen die Reederei erhob am Dienstag auch Chefermittler Beniamino Deidda. "Der Arbeitgeber ist der Verantwortliche", sagte er der italienischen Zeitung Corriere della Sera. "Wir müssen uns ansehen, welche Entscheidungen von den Verantwortlichen getroffen wurden." In den kommenden Tagen werden die Behörden auch den Bericht des Fotografen Cappello erhalten.

Abseits der Vorwürfe über das Verhalten der Reederei im Vorfeld hakt es auch im Krisenmanagement des Konzerns: Eine Überlebende aus Hessen erhielt am Tag nach dem Schiffsunglück von der Reederei die Nachricht, ihr Mann sei gerettet worden. Doch die Familie habe sich gewundert, warum der Vater sich nicht selbst meldete, sagte die 65-Jährige der Zeitschrift Bunte laut Vorabmeldung. Am nächsten Tag habe die Reederei noch einmal angerufen und gesagt, ihre erste Auskunft sei leider falsch gewesen. Seitdem habe sie nichts mehr von der Reederei gehört. Die Passagierin rechnet jedoch damit, dass ihr Mann ums Leben gekommen ist.

Aktualisierung um 15.58 Uhr: In einer Stellungnahme dementiert Costa Crociere Capellos Berichte über einen ähnlichen Vorfall 2005. Ein derartiges Vorkommnis habe es nicht gegeben.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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