Hamburg:Zahl der Todesopfer nach Gerüsteinsturz steigt auf vier

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Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr stehen vor einem eingerüsteten Hochhaus in der Hafencity. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Nachdem ein Gerüst auf einer Großbaustelle in der Hamburger Hafencity in die Tiefe gestürzt ist, behindert ein "Riesen-Mikado" aus Gerüststangen stundenlang die Rettungsarbeiten.

Von Juri Auel

Bei einem schweren Unfall auf einer Baustelle in der Hamburger Hafencity sind mehrere Arbeiter ums Leben gekommen. Die Anzahl der Todesopfer war zunächst unklar, am Abend meldete die Feuerwehr dann, vier Menschen seien ums Leben gekommen. Eine Sprecherin hatte zuvor der SZ von einer "aufwändigen Menschensuche und -rettung" berichtet. Ein weiterer toter Arbeiter wurde am Nachmittag beim Abtragen von Gerüststangen entdeckt. Zunächst hatte man drei Tote und einen lebensgefährlich verletzten Bauarbeiter gefunden. Vermisst werde nun niemand mehr, hieß es.

Ein in einem Fahrstuhlschacht errichtetes Baugerüst war aus bislang ungeklärter Ursache am Montagmorgen zusammengebrochen und aus dem achten Stock abgestürzt. Die Polizei ermittelt noch zur möglichen Ursache. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk rückten mit schwerem Gerät an. Der Unglücksort galt auch für die Retter selbst als gefährlich. Notfallseelsorger und ein Kriseninterventionsteam wurden hinzugerufen. Etwa 150 Helfer waren im Einsatz.

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Nach dem Unglück wurde das Gebäude gesperrt, alle Beschäftigten mussten die Baustelle verlassen. Etwa 700 Menschen arbeiteten zum Zeitpunkt des Unglücks dort. Auf der Straße standen Hunderte Arbeiter in leuchtend gelben Westen und mit Helmen auf dem Kopf. "Wie konnte das passieren? Das ist furchtbar", zitierte der Spiegel einen von ihnen.

"Wir haben hier drei Stockwerke, wo wir Trümmerteile zur Seite schieben müssen"

Die Rettungsarbeiten gestalteten sich kompliziert, die Trümmerteile des Gerüsts stapelten sich vom Untergeschoss bis in den zweiten Stock des Fahrstuhlschachts. Das sei ein "Riesen-Mikado" gewesen, sagte ein Feuerwehrsprecher, die Gerüststangen seien kreuz und quer in dem Schacht verkantet gewesen und hätten einzeln gesichert und geborgen werden müssen - weshalb man zunächst über Stunden nicht an die Opfer herangekommen sei.

Das Unglück ereignete sich auf der Baustelle für das Überseequartier. Dort entstehen eine Einkaufspassage, Gastronomie, Büros und Hotels. Die Baustelle gilt als eine der größten Hamburgs. Das Überseequartier ist Teil der Hafencity, die wiederum als Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsvorhaben gilt. Das Projekt direkt an der Elbe wurde Anfang der 1990er-Jahre vom damaligen Ersten Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) angeschoben und umfasst nach Angaben der Hafencity Hamburg GmbH eine Fläche von rund 157 Hektar. Der nördliche Teil ist bereits seit 2019 fertig, im südlichen Teil laufen die Arbeiten noch.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sprach "allen Angehörigen der Opfer" Beileid und "meine aufrichtige Anteilnahme" aus. Gleichzeitig dankte er auf X den Einsatzkräften, "die seit Stunden alles tun, um die Verletzten des schrecklichen Arbeitsunfalls in der Hafencity schnell zu bergen". Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) wollte sich am Nachmittag ein Bild von der Lage an der Unglücksstelle machen.

Auf den Baustellen der Hafencity hat es bereits mehrmals schwere Unfälle gegeben. Erst am 2. September waren vier Arbeiter bei einem ähnlichen Unfall an einer Baustelle an den Hamburger Elbbrücken - unweit der Hafencity - teils lebensbedrohlich verletzt worden. Ein Baugerüst knickte ein und riss die Männer etwa fünf Meter in die Tiefe, wie ein Polizeisprecher sagte. Drei Bauarbeiter im Alter von 27, 35 und 53 Jahren wurden schwer verletzt. Ein 21-Jähriger erlitt lebensbedrohliche Verletzungen. Da zum Unfallzeitpunkt gerade Ebbe herrschte und der Fluss kein Wasser führte, fielen die Bauarbeiter auf das steinige Flussbett. Am vergangenen 9. Juni waren bei einem Brand auf einer anderen Baustelle im Überseequartier mehrere Gasflaschen explodiert. Am 6. April 2020 waren auf einer Baustelle an der Zweibrückenstraße in der Hafencity zwei Arbeiter von herabfallenden Bauteilen schwer verletzt worden.

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