Frankfurt:Frankfurter Feuerwehrchef attestiert renitenten Anwohnern "Ignoranz und Dummheit"

Lesezeit: 2 min

  • In Frankfurt am Main ist eine britische Weltkriegsbombe erfolgreich unschädlich gemacht worden.
  • Die Arbeiten führten zur größten Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mehr als 60 000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen.
  • Einige Personen widersetzten sich der Evakuierung. Der Chef der Frankfurter Feuerwehr kritisiert sie dafür.

Von Susanne Höll, Frankfurt/Main

Es ist ein nervenzehrender Tag in Frankfurt. Für die Sprengstoffexperten, für mehrere Tausend Sicherheitskräfte und schätzungsweise 65 000 Anwohner, die ihre Wohnungen wegen der Bombenentschärfung verlassen mussten. Geht alles glatt? Um 18.32 Uhr endlich twittert die Frankfurter Polizei: "Es ist geschafft!" Der 1,8 Tonnen schwere britische Weltkrieg-Blindgänger, gefüllt mit 1400 Kilo Sprengstoff, wurde erfolgreich entschärft.

Vier Stunden lang sind zwei Spezialisten damit beschäftigt, den Koloss unschädlich zu machen. René Bennert und Dieter Schwetzler lösen zunächst die Zünder. Zwei Sprengkapseln, die die Bombe auch danach noch in die Luft gehen lassen könnten, müssen auch entschärft werden. Beide Männer sind Familienväter, besonnen und bescheiden. Oft haben ihnen Journalisten dieser Tage attestiert, sie könnten alsbald die Helden von Frankfurt sein. Da schauten sie etwas betreten. Nachdem es geschafft war, fragten sie die Journalisten, wie groß ihre Erleichterung sei. Noch größer wie groß", sagte Schwetzler. "Es passte alles, jeder Handgriff hat gesessen."

Bombenentschärfung in Frankfurt
:"Die Zünder haben nur etwas Patina und sind in einem super Zustand"

Es wird die größte Evakuierung der Nachkriegszeit: Am Sonntag müssen mehr als 60 000 Frankfurter ihre Wohnungen verlassen. Dieter Schwetzler bleibt - der Sprengmeister muss die 1,8 Tonnen schwere Bombe entschärfen.

Interview von Max Sprick

Bei der Evakuierung kam es, wie es kommen musste. Die allermeisten Bewohner verließen spätestens am frühen Morgen pünktlich die 1,5 Kilometerzone im Nordwesten der Stadt. Man fand Unterschlupf bei Familie, Freunden oder auch Fremden. Menschen aus der ganzen Umgebung boten Zuflucht an, Essen und, wenn gewünscht, Wickeltischbenutzung inklusive. Tierschützer nahmen Mäuse, Kaninchen, Hunde und Katzen in Obhut, die ihre Besitzer nicht beaufsichtigen konnten. Jeder, der krank oder gebrechlich war, wurde von Rettungskräften in Sicherheit gebracht. Frankfurt, eine Stadt mit großem Bürgersinn, zeigte sich von der allerbesten Seite.

Aber es gab auch Ausnahmen. Das waren jene wenigen Uneinsichtigen und Egomanen, die glaubten, sie könnten im Sperrbezirk bleiben und den Sicherheitsbehörden ein Schnippchen schlagen. Ein renitenter Mann musste von der Feuerwehr gar über eine Drehleiter auf die Erde geholt werden, andere winkten den Rettungskräften nach Beginn der Sperrstunde frech aus dem Fenster zu. "Ignoranz und Dummheit", attestierte Feuerwehrchef Reinhard Ries diesen Leuten, welche die Aktion unnötig aufhielten. Damit verstörten sie insbesondere die evakuierten älteren und hilfsbedürftigen Menschen, die wegen der unnötigen Verzögerung bei den Entschärfungsversuchen länger auf ihre Heimkehr warten mussten.

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(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Mit Roll- und Geigenkoffer: Mehr als 60 000 Anwohner mussten die Sperrzone im Umkreis von 1,5 Kilometern rund um den Fundort der Luftmine räumen, bevor die Entschärfung beginnen konnte.

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(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Die Sperrzone umfasst mehrere Stadtteile, unter anderem Westend, Nordend, Dornbusch und Teile von Bockenheim und der Innenstadt. Die Seniorin muss deswegen mehrere Kilometer zu Fuß gehen.

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(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Am Sonntagmorgen sind die meisten Straßen bereits menschenleer.

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(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Um zu überprüfen, ob wirklich alle Menschen ihre Wohnungen im Sperrgebiet verlassen haben, gehen Polizisten das Gebiet ab.

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(Foto: Alexander Scheuber/Getty Images)

Unter anderem werden die Betroffenen in der Messe Frankfurt untergebracht.

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(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Unter dem blauen Zelt befindet sich die britische Bombe des Typs HC 4000 aus dem Zweiten Weltkrieg mit einer Sprengkraft von 1,4 Tonnen.

Die Frankfurter Evakuierung ist die bislang umfangreichste im Nachkriegsdeutschland, auch die wohl spektakulärste, wenngleich nur eine in der Reihe von vielen Bombenentschärfungen. Magistrat, Polizei und Feuerwehr hatten penibel geplant - und erhielten dafür viel Lob. Aber fast jeden Tag wird irgendwo in Deutschland mindestens ein Sprengkörper unschädlich gemacht. Koblenz war am Samstag wieder an der Reihe. Dort wurde eine 500-Kilo-Bombe entschärft. Und auch dort hatten Starrsinnige versucht, die Evakuierung zu umgehen.

Als am Abend vom Frankfurter Sprengkoloss dann keine Gefahr mehr ausging, stand den Heimkehrern noch eine weitere Bewährungsprobe bevor. Nach der Sperrung nämlich wurden zunächst die Kranken wieder zurück in die Spitäler und die Gebrechlichen in ihre Wohnungen gebracht. Für die anderen hieß es noch bis spät in den Abend: immer mit der Ruhe. "Mein Ziel ist es, dass alle um 24.00 Uhr zu Hause sind", sagte Frankfurts Feuerwehr-Chef Ries.

Die Bombe wurde nach der Entschärfung an der Fundstelle im Westend auf einen Laster verladen. Sie soll nun nach Niedersachsen gebracht werden. In einem Spezialbetrieb werde sie zerlegt, erklärten die Fachleute vor Ort.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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