Rapper Fler:Jung, maskulin, auf der Suche nach Beef

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Der Rapper Fler, bürgerlich Patrick Losensky, ist kommerziell erfolgreich, aber sehr, sehr leicht erregbar. (Foto: picture alliance / dpa)

Rapper Fler droht einer Frau auf Instagram und liefert sich einen Social-Media-Krieg mit einem Comedian. Schon früher provozierte er mit gewaltverherrlichenden und sexistischen Texten.

Von Jakob Biazza und Oliver Klasen

Der Sprecher des Polizeipräsidiums Berlin ist am Telefon erkennbar bemüht, bei seinen Formulierungen die sachliche Form zu wahren: "Notwendige Schritte eingeleitet" ... "prüfen, ob Straftatbestände verwirklicht wurden" ... "kann von Amts wegen ermittelt werden". Den Namen des Rappers Fler, bürgerlich Patrick Losensky, nimmt er nicht in den Mund, er redet am Montag nur von "dieser Person".

Was war passiert?

Vor ein paar Tagen hatte eine Instagram-Nutzerin eine Story veröffentlicht, in der sie eine Kampagne gegen frauenfeindliche Raptexte zitierte und dabei neben anderen deutschen Rappern auch Fler erwähnte.

Das löste bei dem 37-Jährigen offenbar einen veritablen Hassanfall aus. Zunächst bezeichnete er sie, davon zeugen Screenshots, in einer Privatnachricht unter anderem als "kranke Hure". Anschließend soll er in einer Instagram-Story ein privates Bild der Frau veröffentlicht und jedem Geld angeboten haben, der sie ihm "ranbringen" würde.

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Der Comedian Shahak Shapira, 31, an den sich die Instagram-Nutzerin hilfesuchend wandte, machte den Fall am Freitag öffentlich. Er postete auf Twitter Auszüge aus den Nachrichten von Fler an die Frau sowie eine Sprachnachricht an ihn, Shapira. Darin spricht der Rapper etliche Drohungen gegen den Comedian aus. "Ich werde dir so lange auf dein Gesicht hauen, dass du nie wieder reden kannst", sagt er, und: "Du wirst bleibende Schäden davontragen, du Hurensohn".

Über das Wochenende tobte dann ein Kleinkrieg auf Social Media, in den sich - ungewöhnlich genug - auch die Polizei einschaltete. Man werde die "beleidigende Aggro-Ansage" von Fler zur strafrechtlichen Prüfung weiterleiten, schreiben die Beamten in der Social-Media-Abteilung des Polizeipräsidiums, wobei zu diskutieren wäre, ob der saloppe Ton in dieser Sache angemessen war.

Am Sonntag, als der Streit noch in vollem Gange war, postete Fler auf Twitter das Cover seines neuen Albums. Es erscheint relativ bald, und die Welt ist längst nicht mehr naiv genug, um da keinen Zusammenhang zu wittern. Selbst die Polizei hat den erkannt. "Haben nur wir ein déjà-vu, oder wird da tatsächlich bald wieder ein Album gedroppt?", twitterten die Beamten am Freitagabend.

Der Verdacht lag zugegeben nahe. Man könnte auf einem Zeitstrahl der vergangenen etwa 15 Jahre gut eine Korrelation zwischen textlichen Widerwärtigkeiten, verbalen und körperlichen Angriffen des Rappers und anstehenden Albumveröffentlichungen ablesen.

Allerdings verdankt sich dieser Zusammenhang zwei sehr banalen Gründen: Fler, 37, davon zeugen 15 Solo- und sechs Kollaborationsalben seit 2005, ist erstens sehr fleißig. Und zweitens sehr leicht erregbar.

Berücksichtigt man, dass Fler ständig und teils über mehrere Jahre hinweg das hat, was man in der Rap-Szene als "Beef" bezeichnet, Konflikte mit Kollegen also, gibt es schlicht kaum eine Veröffentlichungswoche, in der er nicht mit irgendwem stritt.

Seine Alben sind in der Hauptsache dem sogenannten Battle- oder Gangsta-Rap zuzuordnen, leben also davon, ein hohes Maß an Aggressivität zu transportieren. Außerdem sind seine Texte vollgepackt mit Sexismus, Schwulenfeindlichkeit und Gewaltfantasien. Das macht sie einerseits für viele nur schwer hörbar. Andererseits - das darf man bei allem, was sich sonst über ihn sagen lässt, nicht vergessen - ist Fler ein nicht unbedeutender Künstler in jenem Genre, das in den vergangenen mindestens 20 Jahren auch in Deutschland die größten musikalischen Innovationen - und höchsten Verkaufszahlen - brachte.

Fler ist technisch kein herausragender Rapper

Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Fler macht Kunst. Gewiefte, provokante Kunst. Und er macht sie in einem Markt, in dem Provokation verkauft. Das funktioniert kommerziell sehr gut, obwohl Fler, besonders technisch, beileibe kein herausragender Rapper ist. Aber er hat viel von dem, was man Attitüde nennen könnte - und ein untrügliches Gespür für Befindlichkeiten und Konfliktpotenzial. "Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz" rappte er auf "Neue Deutsche Welle", seinem Debütalbum 2005. Es folgten Diskussionen um Deutschtümelei und Insignien der neuen Rechten. Er distanzierte sich davon, nannte sein drittes Album 2008 dann "Fremd im eigenen Land" - und damit wie eine Single der Rap-Pioniere von Advanced Chemistry. Die hatten mit ihrem Song allerdings einst Rassismus in Deutschland angeprangert.

Im vergangenen Jahr bezeichnete er Anna-Maria Ferchichi, die Ehefrau seines aktuellen Hauptrivalen Bushido in einem Song als "Bitch" und "Suckerhoe" und stellte infrage, ob Bushido wirklich der Vater seiner Kinder sei. Einen Journalisten, der daraufhin eine Chronologie des Streits hauptsächlich aus Zitaten der Kontrahenten zusammenbaute, besuchte er zu Hause. Weil der Mann gerade nicht da war, musste Fler sich jedoch mit einem Foto des Klingelschilds begnügen.

Jetzt ist er einen Schritt weiter gegangen - und er wird sich nur schwer mit der Kunstfreiheit herausreden können. Beleidigung (§185 StGB) und Bedrohung (§ 241) kommen als mögliche Straftatbestände infrage, in beiden Fällen droht mindestens eine hohe Geldstrafe.

Vielleicht wird ihm bald auch noch Körperverletzung vorgeworfen: Von einer Mitarbeiterin des Fernsehsenders RTL auf seine Drohungen gegenüber der Instagram-Nutzerin in Berlin auf der Straße angesprochen, soll er den Kameramann, der diese begleitete, am Montag krankenhausreif geschlagen haben.

Im Jahr 2014 hatte Fler, wohl als Ausweis seiner "Realness", schon einmal sein polizeiliches Führungszeugnis auf Facebook gepostet. Mehr als ein Dutzend Mal ist er bisher verurteilt worden. Gut möglich, dass bald weitere Einträge hinzukommen.

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