Erfurt (dpa) - Sie sehen aus wie Fahrräder, fahren aber so schnell wie Mopeds: S-Pedelecs. Bis zu 45 km/h können die S-Pedelecs haben - das S steht für Speed. Rechtlich zählen sie damit nicht mehr zu den Fahrrädern, sondern zu den Kleinkrafträdern.
Nutzer brauchen ein Versicherungskennzeichen und einen Führerschein mindestens der Klasse AM. Ein Helm ist Pflicht, Kinderanhänger aber verboten. Das Mindestalter für Fahrer liegt bei 15 Jahren.
Normale Pedelecs schaffen nur 25 km/h. Nach der repräsentativen Online-Befragung Fahrrad-Monitor waren Ende 2021 beispielsweise in Thüringen nur wenige Menschen regelmäßig mit einem E-Bike oder S-Pedelec unterwegs. Weniger als zwei Prozent der Befragten gaben an, ein solches Rad mindestens ein paar Mal im Monat zu benutzen.
„Das ist dann auch gefährlich“
„Der größte Vorteil von Pedelecs insgesamt ist ja, gerade für Pendler, dass die Strecken planbar werden“, sagte Thilo Braun, Co-Vorsitzender im Thüringer Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Wenn man mit Motorunterstützung fahre, wisse man genau, wie viel Zeit man für eine Strecke benötige - egal, wie stark der Wind bläst und aus welcher Richtung.
Mit S-Pedelecs sei es dazu noch möglich, auch größere Strecken zügig zurückzulegen. Braun gibt aber zu bedenken, dass man auch bei S-Pedelecs für 45 km/h schon ordentlich in die Pedale treten müsse - die Räder erreichten die Höchstgeschwindigkeit allein per Motorantrieb aufgrund ihrer Bauweise nicht.
Wer sich an die Regeln halte und nur auf der Straße fahre, könne schnell die Lust verlieren, wenn auf einer vielbefahrenen Straße Autos mit 100 km/h an einem vorbeirauschten. „Das ist dann auch gefährlich“, sagte er.
Sicherheit durch Mindestbreiten
In Deutschland sind Radwege für S-Pedelecs tabu - es sei denn, die Trassen sind explizit für die Schnellräder freigegeben. Die Universitätsstadt Tübingen mit ihrem Oberbürgermeister Boris Palmer gilt als Vorreiter: Bereits 2019 gab Palmer, dessen Grünen-Parteimitgliedschaft derzeit ruht, die ersten Radwege für S-Pedelecs frei. Inzwischen gibt es nach Angaben der Stadt ein zusammenhängendes Netz, das die Ortsteile mit dem Zentrum verbindet.
In Thüringen sieht die Grünen-Fraktion Potenzial vor allem an Landes- und Bundesstraßen. „Wir ermutigen die Straßenverkehrsbehörden, an solchen Straßen die Zulassung von S-Pedelecs auf einem straßenbegleitenden Rad- und Fußweg zu prüfen, wenn dieser ausreichend breit ist“, sagte die Grünen-Verkehrspolitikerin Laura Wahl. Allerdings müsse auch die Sicherheit von Fußgängern gewährleistet sein. „Daher ist es sinnvoll, die Zulassung an Mindestbreiten zu knüpfen.“
Können Kriterien erfüllt werden?
Thüringens Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij äußerte sich zurückhaltend. Zwar könnten S-Pedelecs einen Beitrag zu klima- und gesundheitsfreundlicher Mobilität leisten, wegen ihrer Geschwindigkeit gehörten sie aber trotzdem auf die Straße. „Die Voraussetzungen für Radschnellverbindungen sind in Thüringen insgesamt ungünstig, weil es grundsätzlich ein geringeres Grundpotenzial an Radpendelnden gibt als in anderen Ländern wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen“, heißt es aus Karawanskijs Ministerium.
Kriterien für Radschnellverbindungen seien etwa die Verkehrsbedeutung, mehr als 2000 Radfahrten pro Tag sowie eine Mindestlänge von zehn Kilometern. Es bestehe keine Aussicht darauf, dass diese Kriterien in Thüringen erfüllt werden könnten.
In Thüringen gibt es nach Angaben des Infrastrukturministeriums 13 Radfernwege mit insgesamt 1558,5 Kilometern Länge. Statt wichtige Orte oder Städte möglichst direkt miteinander zu verbinden, steuern die Radwege aber hauptsächlich touristische Ziele an, folgen einem Flusslauf oder führen an attraktiven Landschaften vorbei.
Was ist nötig, was ist möglich?
Nach den Erfahrungen des Thüringer ADFC-Landesverbands sind für Fahrradpendler je nach Streckenprofil sieben bis zehn Kilometer pro Strecke üblich, für S-Pedelec-Fahrer hält er 20 bis 30 Kilometer für realistisch. Die Räder mit starkem Elektromotor gehören nicht zu den Kernthemen des Vereins, abgestimmte Positionen hat der Thüringer Landesverband nicht.
„Wir sehen natürlich, dass die Radinfrastruktur, die wir haben, schon für das, was an Radverkehr nötig ist und möglich wäre, nicht ausreicht“, sagte Braun. Wenn nun noch die S-Pedelecs hinzukämen, könne das irgendwann zu Problemen führen. „Im Moment sehe ich persönlich, da es extrem wenig davon gibt, nicht wirklich ein Problem.“ Braun plädierte dafür, die Freigabe für S-Pedelecs auf bestimmten Radwegen auszuprobieren - etwa auf Überland-Radwegen.
© dpa-infocom, dpa:230217-99-631287/3