Naturkatastrophe:68 Stunden nach dem Beben: Hilfskräfte retten Baby aus den Trümmern

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Menschen sitzen im türkischen Kahramanmaraş neben den Trümmern eingestürzter Gebäude um ein Feuer herum. (Foto: Suhaib Salem/Reuters)

In der Türkei und Syrien werden immer mehr Leichen geborgen. Aber selbst drei Tage nach den katastrophalen Erdbeben finden Einsatzkräfte noch weitere Überlebende.

Drei Tage nach den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten allein in der Türkei nochmals um mehrere Tausend gestiegen. Inzwischen gebe es 14 351 bestätigte Todesopfer und mehr als 63 000 Verletzte, teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zu Donnerstag mit.

Nur Stunden zuvor hatte die Regierung die Zahl der Toten in der Türkei noch auf etwa 9000 beziffert. In Syrien kamen nach Angaben der Staatsagentur Sana und der Rettungsorganisation Weißhelme 3162 Menschen ums Leben. Noch immer werden zudem in beiden Ländern viele Menschen vermisst.

Mehrere Menschen nach drei Tagen unter Trümmern gerettet

In der Nacht zu Donnerstag wurde rund 68 Stunden nach den Erdstößen ein Baby aus einem zusammengestürzten Gebäude in der Provinz Hatay gerettet, wie der staatliche Sender TRT World berichtete. Wenige Stunden später sei ein Mann lebend unter den Trümmern desselben Hauses gefunden worden, bei dem es sich wahrscheinlich um den Vater des Kindes handele. Im Zentrum der Stadt Gaziantep wurden am Morgen gar drei weitere Menschen aus dem Schutt einer Wohnhausruine gerettet. Unter den Helfern brach Jubel aus, viele hatten Freudentränen in den Augen. " Wir hoffen auf noch mehr Wunder", sagte ein Reporter.

Ein Baby wurde in der Provinz Hatay nach rund 68 Stunden aus den Trümmern gerettet. (Foto: Istanbul Municipality/via Reuters)

Weiter nördlich in der Region Kahramanmaraş wurden eine Frau und zwei Kinder nach 78 Stunden unter den Trümmern ihres Hauses gerettet. Bilder zeigen, wie Helfer die Frau und die Kinder auf einer Liege und in Tragetüchern unter Applaus zum Krankenwagen trugen. Ein Helfer sagte dem Sender CNN Türk, er sei glücklich über den kleinen Erfolg. 15 Stunden lang hätten sie daran gearbeitet, die Familie zu befreien.

Den Rettern und Überlebenden läuft die Zeit davon

In der Nacht war die grobe Orientierungsmarke von 72 Stunden überschritten worden, nach deren Ablauf die Überlebenschancen von verschütteten Menschen nur noch als extrem gering eingeschätzt werden. Doch viele Retter und Angehörige wollen die Hoffnung nicht aufgeben. "Überlebenden, die unter den Trümmern eingestürzter Gebäude in der Türkei und Syrien eingeschlossen sind, läuft die Zeit davon", hieß es bei TRT World. Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt mindern die Chancen auf weitere Erfolgsmeldungen zusätzlich. Bislang sei es den Rettern in der Türkei trotz der schwierigen Bedingungen gelungen, seit dem Beben vor drei Tagen etwa 8000 Menschen lebend zu bergen, berichtete der Sender. Eine Reporterin des Fernsehkanals berichtete über den verzweifelten Kampf gegen die Zeit: "Die Retter weigern sich aufzugeben."

Ein Beben mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte am frühen Montagmorgen das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert. Am Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein. Bilder aus den Katastrophengebieten zeigten auch in der Nacht zum Donnerstag Bagger, die Schutt abtrugen.

Menschen in Syrien sind nach wie vor kaum erreichbar

Schwierig ist weiterhin die Versorgung der Menschen im schwer erreichbaren Nordsyrien. Am Donnerstag trafen dort sechs Lastwagen mit Hilfsgütern der Vereinten Nationen ein. Die Transporter seien aus der Türkei gestartet und hätten den einzigen noch offenen Grenzübergang Bab al-Hawa passiert, hieß es von den UN. Wegen Schäden an Straßen konnten die Lastwagen Bab al-Hawa bisher nicht erreichen.

Inzwischen wurden die Straßen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge aber teilweise wieder repariert. Der Grenzübergang Bab al-Hawa war schon vor dem Erdbeben eine Lebensader für rund 4,5 Millionen Menschen in Gebieten im Nordwesten, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert werden. 90 Prozent der Bevölkerung waren dort schon vor der Katastrophe nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Region leben Millionen, die durch den Krieg vertrieben wurden.

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Aktivisten berichteten, dass nach dem Erdbeben keine Hilfsgüter, stattdessen aber Leichen von Syrern aus der Türkei über die Grenze transportiert würden. In der Türkei leben Millionen syrische Flüchtlinge. Die syrische Grenzbehörde veröffentlichte Fotos von Kleinbussen, aus denen Leichensäcke in Fahrzeuge umgeladen werden. Allein im Nordwesten Syriens wurden durch die Katastrophe schätzungsweise 11 000 Menschen obdachlos.

Flieger mit Hilfsgütern in Wunstdorf gestartet

Derweil ist weitere Hilfe aus dem Ausland auf dem Weg in die Unglücksregionen - auch aus Deutschland. Der erste Hilfsflug der Bundesluftwaffe ist am Donnerstagmorgen vom Militärflughafen Wunstorf aus gestartet. "Wir haben uns darauf vorbereitet, mit drei Maschinen jeden Tag zu fliegen, bis in die nächste Woche hinein", sagte Oberst Christian John, Kommodore des Lufttransportgeschwaders 62. Es hänge davon ab, wie viele Hilfsgüter angeliefert würden.

Zuvor waren drei Flugzeuge vom Typ Airbus A 400M auf dem Militärflughafen beladen worden. Das Technische Hilfswerk (THW) Baden-Württemberg hatte rund 50 Tonnen Hilfsgüter mit sieben Lastwagen aus dem Großraum Ulm nach Niedersachsen gefahren. Außerdem sind bereits Teams verschiedener Hilfsorganisationen in die Türkei geflogen.

Die EU plant, Anfang März eine Geberkonferenz für Syrien und die Türkei einzuberufen.

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