SZ-Serie "Ein Anruf bei":"Der Müllmann hat sich kaputtgelacht"

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"Hoffentlich haben meine Nachbarn keine Angst": Der britische Künstler Jason Wilsher-Mills zeigt seine Arbeit über "Jason und die Argonauten" nun neben Blumentopf und Wäschespinne. (Foto: Jacob King/AP)

Die Ausstellung des britischen Künstler Jason Wilsher-Mills in der Londoner Tate Gallery ist wegen Corona ausgefallen. Jetzt amüsiert er die Nachbarn mit aufblasbaren Skulpturen in seinem Garten.

Interview von Martin Zips

In Sleaford, Mittelengland, gibt es derzeit nur ein Thema: die riesigen Figuren, die aus dem Garten des Künstlers Jason Wilsher-Mills, 51, ragen. Nachts leuchten sie sogar.

SZ: Was soll das denn mit den bunten Riesen in Ihrem Garten, Mr. Wilsher-Mills?

Jason Wilsher-Mills: Ach, die Figuren sollten eigentlich dieser Tage in London gezeigt werden, in der Tate Gallery. 2020, das wäre mein Jahr gewesen. Als Künstler hatte ich Anfragen wie nie zuvor. Aber dann kam der März, und wir wissen ja, was im März passiert ist.

Corona.

Genau. Und wegen meiner schweren Nervenkrankheit, die mich seit Jahren plagt, musste ich mich natürlich sofort in Selbstisolation begeben. Alles wurde abgesagt. Das war hart. Ich hatte aber nun mal diese Figuren. Also habe ich sie bei mir im Garten aufgestellt, um damit ein bisschen die Nachbarn zu erschrecken.

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Was sind das für Figuren?

Aufblasbare. Bunte. Fröhliche. Da ich Jason heiße, hatte ich die Idee, etwas mit "Jason und den Argonauten" aus der griechischen Mythologie zu machen. Ich schuf also verrückte Krieger, Athleten, Helden, die man mit Luft befüllen kann. Aber sie haben auch Handicaps. In meiner Kunst geht es ja eigentlich um das Leben behinderter Menschen, für deren Rechte ich mich einsetze.

Seit einigen Jahren sitzen Sie selbst im Rollstuhl.

Eigentlich hatte ich einmal als klassischer Maler begonnen, aber wegen der schweren Krankheit, die mich dann überfiel, ging das nicht mehr. Seitdem muss ich wirklich sehr auf mich aufpassen. Und als Künstler musste ich mir etwas Neues überlegen. Darum designe ich jetzt Skulpturen am Tablet.

Am Tablet?

Klar, das geht! Selbst wenn man - wie ich - immer wieder mit Schmerzen ans Bett gefesselt ist. In meiner Kunst befasse ich mich auf humorvolle und hoffnungsfrohe Weise mit dem Leben. Für einen Entwurf brauche ich so etwa 100 Stunden. Ich schicke die Pläne dann nach Indien oder China. Dort werden meine Helden dann gebaut, aus Stoff oder auch aus Fiberglas. Und man kann sogar bunte Lichter einbauen lassen, das sieht dann ganz toll aus, wenn es dunkel ist. Hoffentlich haben meine Nachbarn keine Angst. Die Figuren sind ja größer als mein Haus.

Ich jedenfalls musste sehr lachen, als ich Ihre Argonauten sah.

Sehr gut! Der Müllmann hat sich vor einigen Tagen auch darüber kaputtgelacht. Und ein anderer meinte beim Blick über den Zaun: Na, da ist wohl etwas schiefgelaufen bei der Sexpuppen-Produktion.

Sie sind also - trotz allem - ein glücklicher Künstler? Ein zufriedener Mensch?

Sagen wir so: Ich habe es mit der Aktion in meinem Garten geschafft, mich während der Corona-Krise zumindest nicht ganz wie in einem Gefängnis zu fühlen. Aber natürlich wünsche ich mir, dass meine Kunst endlich wieder rauskommt. In andere Länder, an möglichst verschiedene Orte. Kunst ist ja dafür da, gesehen zu werden. Manchmal auch, um darüber zu lachen.

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