Österreich-Kolumne:Die Flaschen in Kitzbühel

Lesezeit: 2 min

Ein seltener Anblick: das skifahrerleere Kitzbühel. (Foto: Friedrich Bungert)

Im Tiroler Tourismusort sind die Corona-Zahlen derzeit besonders hoch. Wie sich der Tourismus-Chef rausredet. Und mit welchem Argument er sogar recht hat.

Von Felix Haselsteiner

In Kitzbühel kursiert gerade ein Foto, das vielleicht die Antwort für eine der vielen emotional geführten Pandemie-Debatten bereithält. Es zeigt den Altglas-Sammelplatz der Skihochburg nach Neujahr; einen Ort, an dem sich Jahr für Jahr das ablagert, was neben missglückten Vorsätzen noch von Silvester übrig bleibt: zahlreiche leere Sektflaschen und Weinflaschen, weil es Kitzbühel ist, sind viele davon Magnum-Flaschen. Kurzfristig wurde diesmal ein zum Schneeräumen bestimmter Bagger zum Aufräumen eingesetzt, die beladene Schaufel spricht Bände.

Nun könnte man spaßeshalber aus dieser Momentaufnahme so etwas wie eine Flaschen-Inzidenz errechnen. Knapp 8400 Menschen leben offiziell in Kitzbühel, geöffnet wurden allein anhand des vorliegenden Bildmaterials sicherlich mehrere Tausend Flaschen. Demnach müsste also jeder Kitzbüheler fast eine ganze Flasche Wein getrunken haben. Man könnte dem Tiroler Ort aufgrund dieser Datenlage ein Alkoholproblem bescheinigen. Nur: Das wäre genauso falsch wie die Brandmarkung Kitzbühels als Hauptausbruchsort der Austro-Omikron-Welle.

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So schlimm wie in der Serie "Kitz" ist es nicht

Nein, die leeren Kitzbüheler Flaschen erzählen so viele Geschichten, da ist die mit dem Alkoholproblem nicht mal die spannendste. Könnten sie sprechen, man könnte vielleicht einen Einblick bekommen in die vielen Villen. Vielleicht würden sie berichten, wie es sich anfühlt, in einem dieser monströsen Achtzylinder-SUVs durch die Innenstadt kutschiert zu werden, was die diesjährige Trendfarbe bei hochklassigen Couchlandschaften ist, oder aber, welche Temperatur die Whirlpools in der Gegend haben.

Das alles kann man aber weder von den Flaschen erfahren noch von der Netflix-Serie "Kitz", die bei Menschen, die wie ich zumindest in Teilzeit in diesem sagenumwobenen Ort aufgewachsen sind, eher ein Schmunzeln hervorruft, weil sie doch bisserl arg überzeichnet und hölzern ist. Wer zum Beispiel mit Säbeln Champagnerflaschen im Pool köpfen möchte, ist in Dubai besser aufgehoben. So schlimm ist es in Tirol auch wieder nicht.

Kitzbühels Flaschen könnten auch davon berichten, wie die Sieben-Tage-Inzidenz von aktuell 3410 zustande gekommen ist: wohl mehrheitlich auf Privatpartys. Am Montag hat Christian Harisch, der örtliche Tourismuschef, in der ZiB2 Armin Wolf erklärt, dass die aktuell geltende Sperrstunde um 22 Uhr das größte Problem an der Entwicklung ist. Und, wenn ich ehrlich sein darf: Trotz seiner dezent arroganten Tiroler Tourismus-Selbstgefälligkeit würde ich ihm recht geben.

Der Kitzbühler Tourismuschef: Christian Harisch. (Foto: Friedrich Bungert)

Wie sich die Sperrstunde auf die Corona-Zahlen auswirkt

Am 31. Dezember 2021 waren die Pisten und Hütten tagsüber randvoll, weil sich nicht nur 8400 Menschen in Kitzbühel aufhielten, sondern wohl um die 30 000 Gäste mehr. Um 22.30 Uhr ruhte die Innenstadt Kitzbühels beängstigend still, was nur den Schluss zuließ, dass die gesamte Silvester-Feierei sich in den privaten, meist sehr schicken, aber auch völlig unkontrollierbaren Raum verlagert hatte.

Man braucht sich nichts vorzumachen: Auch bei einer Sperrstunde um fünf Uhr früh hätte Omikron die Zahlen hochschnellen lassen. Ist ja nur logisch, wenn so viele Menschen einen kleinen Ort bevölkern. Selbstverständlich wird in Kitzbühel genauso die FFP2-Maske mal unter der Nase getragen oder der 2G-Pass nicht kontrolliert, wie an anderen Orten auch. Deshalb ist Harischs Versprechen von sinkenden Inzidenzen und dem "sichersten Hahnenkamm-Rennen aller Zeiten" am nächsten Wochenende mehr als ein bisserl fraglich.

Die Frage, wie häufig sich Leute in Kitzbühel nicht an die Regeln halten, ist erst recht unter Omikron-Bedingungen nicht mehr seriös zu beantworten. Außer die Flaschen würden sprechen lernen - weil die sind wirklich überall dabei.

Diese Kolumne erscheint am 14. Januar 2022 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

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