Shoppingtage:Komakaufen

Shoppingtage: Arbeiter sortieren am Tag nach dem Singles Day Päckchen in Hengyang, China.

Arbeiter sortieren am Tag nach dem Singles Day Päckchen in Hengyang, China.

(Foto: STR/AFP)

Singles Day, Black Friday, Cyber Monday - es gibt immer einen Grund zum Shoppen. Nur keinen vernünftigen. Wie wäre es also mit einem Nice Noodles Day? Oder einem Sock around the Clock Day?

Von Violetta Simon

Wenn an diesem 26. November sämtliche Händler ihre Ladenhüter und Restposten raushängen, um Platz zu schaffen, werden die Menschen wieder Milliarden Euro für Dinge ausgeben, von denen sie bis dahin nicht wussten, dass sie sie wollten - geschweige denn benötigen. Lange war der Black Friday nur in den USA von Bedeutung: Jeden vierten Donnerstag im November kommt zu Thanksgiving die Familie zusammen, der Brücken-Freitag wird dann traditionell für Weihnachtseinkäufe genutzt. Inzwischen wird an dem Tag auch europaweit wacker geshoppt.

Der Kundschaft ist vermutlich wumpe, warum dieser Freitag schwarz sein soll (eine Erklärung besagt, dass die Händler an dem Tag schwarze Zahlen schreiben, eine andere, dass deren Finger vom Geldzählen schwarz werden), solange Unterhosen und Vasen reduziert sind. Zumal es bereits drei Tage später weitergeht mit dem Cyber Monday, an dem das unfassbar reduzierte Computerspiel lockt. Die meisten Händler haben inzwischen sowieso eine Cyber bzw. Black Week eingeführt. Oder verramschen gleich den kompletten November. Dank sei auch dem Singles Day, der in China Alleinstehende traditionell am 11.11. zum Shoppen animieren soll - und nun auch uns. Nicht zu vergessen jener Online-Konzern, der für sich selbst den Prime Day erfand, damit sich die Kundschaft im Juni schon mal aufwärmen kann. Mit anderen Worten: kollektives Komakaufen, von Pfingsten über Karneval bis Heiligabend.

Was würden wir anfangen ohne all diese inspirierenden Shopping-Mottos? Würden wir uns in Jogginghosen durch die Konsumwelt klicken und nur kaufen, was wir wirklich brauchen - oder nichts? Leider ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass der Kaufimpuls manipuliert werden kann. Und so richtig wuschig werden wir nach einer Phase des unfreiwilligen Verzichts, nach einem ausgewachsenen Lockdown zum Beispiel. So etwas führt dann bei erstbester Gelegenheit zu unkontrollierten Impulskäufen. Wie das Forbes-Magazin berichtete, soll am Tag der Wiedereröffnung allein der Hermès Flagship Store in Guangzhou, China, etwa 2,7 Millionen US-Dollar umgesetzt haben.

"Nach der Angst kommt die Überlust"

Typisch für das menschliche Gehirn, erklärte der Konsumpsychologe Hans-Georg Häusel einmal in einem Interview: "Nach der Angst kommt die Überlust." Die Chinesen haben sogar einen eigenen Ausdruck für jenen Gefühlszustand, der den Ansturm auf Luxusartikel nach dem Lockdown auslöst: bàofù xìng xiāofèi (Konsum in der Hoffnung auf Vergeltung). In den USA spricht man von "Revenge-Shopping", also Wiedergutmachung für die Zeit der Entbehrungen.

Wie wäre es also mit noch ein paar mehr Einkaufs-Mottotagen, schön gleichmäßig übers Jahr verteilt? Inspirierende Anlässe gibt es genügend. Droht demnächst wieder ein Lockdown? Höchste Zeit, einen Nice Noodles Day einzuführen. Gerne auch einen Purple-(Toilet)-Paper-Tag. Oder, um mal wegzukommen von Corona - wie wäre es im Februar mit einem Vegane-Schinkensemmel-Tag? Und ist der 26. März nicht der perfekte Zeitpunkt für neue Socken, also einen Sock around the Clock Day?

Andere Möglichkeit: Einfach mal nicht konsumieren. Auch für dieses Motto wurde mittlerweile ein eigener Tag eingeführt: Der Kauf-nix-Tag (englisch Buy Nothing Day) appelliert an die Vernunft der Verbraucher. Er fällt übrigens, wie jedes Jahr, auf den Black Friday.

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