Urlaub:Immer für euch da

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Wer braucht schon Meeresrauschen, wenn er die Kollegen im Urlaub dabeihat? (Foto: mauritius images/YAY Media AS)

Abwesenheitsnotiz? Flugmodus? Handy aus? Machen nur Amateure. Die Mehrheit der Deutschen will auch im Urlaub für den Arbeitgeber erreichbar sein.

Von Marcel Laskus

Ein guter Urlaub beginnt mit guten Vorsätzen. Ein feierlicher letzter linker Mausklick, dann ist die Abwesenheitsnotiz aktiviert. Im nächsten Schritt landen alle Apps, die irgendwie nach Microsoft aussehen, im Papierkorb. Zu guter Letzt dann wird in der Kaffeeküche in Hörweite zur Vorgesetzen beiläufig das Detail platziert, dass auf der süßen, kleinen Insel in den Nord-Molukken der Handyempfang wirklich nicht so doll sein wird.

Ja, so könnte es sein. So könnte man dann daliegen und nur noch dem Rauschen des Meeres lauschen. Doch ist die Realität kein Verdi-Seminar.

Vielmehr ist die Realität eine Sache, die auch in fernen Zeit- und Klimazonen allerlei Pling-Geräusche und Push-Nachrichten von sich gibt. Gerade einmal jeder dritte deutsche Arbeitnehmer will "im Urlaub komplett abschalten und nicht erreichbar sein". Der Branchenverband Bitkom hat das gerade in einer Umfrage erhoben und dafür 1 002 Personen telefonisch befragt. Vielleicht lagen einige der Teilnehmenden gerade am Strand und sind nur deshalb ans Telefon geeilt, weil sie befürchteten, dass die unbekannte Nummer Steffen aus dem Projektmanagement gehört. Wollte der nicht den Dingsda-Workshop für KW40 finalisieren?

Für die Gesundheit ist das alles nicht gut - weiß jeder. Schon 2007 beschrieb Miriam Meckel, die später einen Burnout hatte, Kommunikationstechnologien "als digitale Zeitdiebe und Hausbesetzer" und folgerte: "Das Glück liegt in der Unerreichbarkeit."

Wobei Unerreichbarkeit nicht mit Unsichtbarkeit verwechselt werden sollte: Die damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft rutschte 2014 in die sogenannte "Funkloch-Affäre", nachdem bei einem Orkan in ihrem Bundesland zwei Menschen starben und Kraft sich erst nach Tagen meldete. "Ich war in Brandenburg auf einem Schiff und hatte eine Woche lang keinen Empfang", sagte sie und rettete ihr Amt dann irgendwie. Noch folgenreicher: Der Urlaub der ehemaligen Familienministerin Anne Spiegel. Kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 reiste sie, damals noch als rheinland-pfälzische Umweltministerin, mit ihrer Familie nach Frankreich. Später sagte sie unter Tränen: "Das war ein Fehler, dass wir so lange in Urlaub gefahren sind."

Nun sind die meisten nicht in der Spitzenpolitik tätig, doch mag sich der eine oder andere schon gedacht haben: Was, wenn so etwas mal mir passiert? Was, wenn es wirklich Steffen war - und ich nicht rangegangen bin?

Und so geschieht es dann. In der Abwesenheit-Notiz landet der Zusatz "ich lese meine Mails unregelmäßig", der den Kollegen ein kleines Fenster zur Doch-noch-Erreichbarkeit öffnet: Liest er seine Mails also doch! Outlook wird, anders als man es sich vorgenommen hat, zwar nicht in der App, aber würdelos umständlich im Browser aufgerufen. Und in der Kaffeeküche spricht man es dann aus: Vielleicht, ja, vielleicht ist das Wlan im Airbnb ja ganz okay.

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