Haiti:Nachbeben fordert weitere Opfer

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Katastrophe ohne Ende: Beim Nachbeben in Haiti sind mehrere Menschen getötet worden. Die USA schicken weitere 4000 Soldaten - und rüsten Guantanamo für Flüchtlinge.

Das Nachbeben in Haiti hat weitere Todesopfer gefordert. Etwa 20 Straßenhändler wurden nach dpa-Informationen beim Einsturz eines bereits beschädigten Gebäudes unter den Trümmern begraben. Das Zentrum des Nachbebens der Stärke 6,1 lag in knapp zehn Kilometern Tiefe rund 60 Kilometer westsüdwestlich der Hauptstadt. Ein deutsches Rettungsteam suchte vorerst erfolglos nach den Verschütteten.

Bei dem Nachbeben wurden 20 Straßenhändlern unter Trümmern begraben. Helfer suchten vorerst vergeblich nach ihnen. (Foto: Foto: AFP)

Die Erdstöße, die am Mittwoch um 6.03 Uhr (Ortszeit) registriert wurden, überraschten viele Menschen im Schlaf. Diejenigen, deren Häuser noch standen, liefen verängstigt auf die Straßen gelaufen. Viele Menschen beteten aus Furcht vor einer weiteren Verschlimmerung der Katastrophe, obwohl dies nach Einschätzung vieler Rettungshelfer kaum noch möglich ist.

Auch am achten Tag nach dem Jahrhundertbeben herrschten in Port-au-Prince chaotische Zustände. Abertausende Menschen irrten noch immer durch die Trümmer, viele warten seit Tagen auf medizinische Erstversorgung. Die Notfallzentren sind überfüllt. Tausende flüchten aus der Hauptstadt. Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter aus aller Welt arbeiten rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung.

USA schicken weitere 4000 Soldaten

Die USA planen laut dem US-Sender CNN weitere 4000 US-Soldaten zu entsenden. Dies würde die Zahl der amerikanischen Soldaten, die in Haiti oder auf Schiffen vor der Küste sind, auf mehr als 15.000 erhöhen.

Die Angehörigen von Marine und Marineinfanterie sollten anstelle geplanter Entsendungen nach Europa und Nahost in die karibische Katastrophenregion umgeleitet werden, teilten die US-Streitkräfte mit. Bis Mittwoch hatten die USA bereits rund 11.000 Soldaten nach Haiti entsandt. Auch Brasilien will 800 zusätzliche Soldaten schicken.

Der zerstörte Hafen in Port-au-Prince soll nach Angaben der US-Armee am Freitag wieder teilweise geöffnet werden. Dann könne vielleicht wieder die Hälfte seiner ursprünglichen Kapazität genutzt werden, sagte General Kan Keen. Wenn dort wieder Schiffe mit Hilfslieferungen anlegen könnten, werde auch der völlig überfüllte Flughafen entlastet.

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Kritik an der Entsendung von US-Soldaten kam aus Venezuela und Bolivien. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez warf der USA vor, in Haiti die Macht übernehmen zu wollen. Die US-Armee habe mit der Einnahme des Flughafens begonnen, erklärte er. Jetzt würden US-Marines bereits im zerstörten Präsidentenpalast sein. Der bolivianische Präsident Evo Morales kritisierte, die US-Soldaten seien in Haiti einmarschiert, ohne dies mit den Vereinten Nationen abzusprechen. Sie würden die Naturkatastrophe benutzten, um Haiti "militärisch zu okkupieren".

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Indessen bereiten die USA ihren Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba für einen möglichen Ansturm haitianischer Flüchtlinge vor. Auf dem Gelände wurden bereits etwa 100 Zelte für jeweils zehn Personen errichtet, wie Konteradmiral Thomas Copeman sagte. Sollten Überlebende der Erdbebenkatastrophe in Haiti tatsächlich massenweise ihr Land verlassen, stünden mehr als 1.000 weitere Zelte zur Verfügung.

Immer noch Lebende geborgen

Trotz rapide sinkender Chancen suchen mehr als eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben mit bis zu 200.000 Toten tausende Rettungskräfte weiter verzweifelt nach Überlebenden in den Trümmern. Vereinzelt wurden immer noch Menschen lebend geborgen. "Das macht Mut und deshalb werden wir weitermachen. Solange es eine Chance gibt, Menschen zu retten, werden wir sie nutzen", sagte UN-Nothilfekoordinator John Holmes in New York. Insgesamt seien bisher mehr als 120 Überlebende geborgen worden.

So wurde ein Fünfjähriger unverletzt aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses in der Hauptstadt Port-au-Prince geborgen worden. Wie die US-Hilfsorganisation International Medical Corps (IMC) mitteilte, wurde der Junge nach der Rettung am Mittwoch von Helfern der Organisation versorgt. Er habe an Austrocknung gelitten, sei aber sonst unverletzt, sagte eine Sprecherin, Margaret Aguirre.

In der zu mehr als 50 Prozent zerstörten Hafenstadt Jacmel an Haitis Südküste wurde von Helfern aus Kolumbien und Frankreich ein erst 22 Tage altes Baby gerettet, wie die Feuerwehr in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá mitteilte. Zuvor hatte sich die Mutter des Kindes aus den Trümmern befreien können. Sie führte die Helfer zu ihrem eingeschlossenen Kind. Eine ältere Frau wurde in Port-au-Prince aus den Trümmern bei der Kathedrale gezogen.

© dpa/AFP/APD/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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