Wolfratshauser Starkbierfest:Sagengestalt im Club der Harmlosen

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Beim Derblecken in der Wolfratshauser Loisachhalle nimmt diesmal das Marktgschlerf kein Blatt vor den Mund und kommentiert die Geschehnisse in drei Akten. Die Polit-Prominenz lässt sich derweil einschenken.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Wo selbst der nachrichtenresistente Bürger nah an der Politik ist - im Lokalen -, da erscheinen die Fallhöhen für Satire eben nochmals ungleich größer. Kein Wunder also, dass die Starkbierfeste der Region Höhepunkte im Jahresreigen sind. Und da es in den vergangenen Monaten an Steilvorlagen in Wolfratshausen nicht gemangelt hatte, waren Vorfreude und Erwartungshaltungen groß, als es am Freitag in der Loisachhalle hieß: Derbleckt werd. Für den einen oder anderen Bürger wie Politiker hieß es aber auch, nicht nur das Traunsteiner Bier zu schlucken, sondern auch tapfer mitzulachen als schönste Art, die Zähne zu zeigen - denn die eine oder andere Verbal-Watschn geriet recht persönlich.

Die Loisachtaler Bauernbühne bot heuer eine Art abgespeckte Variante des Singspiels dar, was sich aber nicht auf die Länge auswirkte. Dafür wartete der Abend eingangs mit gleich mehreren Überraschungen auf. Zum einen, dass der Bayerische Rundfunk und die Bayerische Bierkönigin Johanna Seiler sich die Ehre gaben. Sie zapfte auch das erste Fass an, mit vier Schlägen flott gekonnt und ohne Bierfontäne. Zum anderen gesellte sich auch noch der Geretsrieder Fastenprediger Ludwig Schmid auf die Bühne. Er kündigte das erste "interkommunale Derblecken" an, das im Mai in der Loisachhalle ausgerichtet werden soll. Und spannte einen roten Faden im Singspiel auf, denn dort war die Nachbarschaft der Städte omnipräsent.

Womit man wieder zurück beim Stück wäre: Weil die Bühne für den anschließenden Auftritt der Münchner Zwietracht keine größeren Umbauten erlaubte, musste die Loisachtaler Bauernbühne heuer auf opulente Kulissen, Rahmenhandlungen und karikierende Darstellungen von Stadtpolitikern verzichten. Stattdessen hieß es: "Neig'lurt", ein Dreiakter, in dem das Marktgschlerf von Wolfratshausen (dargestellt von Monika Schwenger) in drei Fenster schaute. "Beim Lurn, da is' mir aufgefallen, dass haufenweise Gefühle wallen, was'd Leit ned passt oda anders woin - was für Sachan besser passiern soin", sagte das Marktgschlerf eingangs. Was es sah und hörte - mal bei einem Wolfratshauser Stammtisch, mal bei einer Bürgerbeteiligungsgruppe und mal bei Bauarbeitern in der Mittagspause - konnte das Publikum der Loisachhalle mitverfolgen, immer wieder unterbrochen von den Kommentaren der Wolfratshauser Sagenfigur.

Der große Lauschangriff oder - wie das Marktgschlerf selber sagte - "die totale Überwachung" begann beim "Club der Harmlosen", einem Stammtisch mit "einem Schlawiner, einem Schlaumeier, einem Suppenhuhn und einem Spargeltarzan aus Geretsried", wie die Bedienung (Daniela Ermer) erklärte. Sie alle zogen vom Leder über enge Parkplätze, die Surfwelle und den Verkauf des Burggrundstücks. Bürgermeister Klaus Heilinglechner "hätt vo nix gwusst, sogt er. De Drexl Claudia schimpft: Er hätt bloß koa Lust, dass de Stadt si as Vorkaufsrecht nimmt, und si damit in Entscheidungsnot bringt. Entscheiden duat er hoit ned gern, aloa des is des Pudels Kern", kommentierte das Marktgschlerf. Nun könne sich der Burgverein "Luftschlossverein" nennen. Bauarbeiter Bruno Bunker (Tom Janoschi) aus Geretsried, der in allen drei "Fenstern" auftrat, brachte mit, was sie gerade beim Isarkaufhaus ausgebuddelt hatten: einen Totenkopf. "A waschechter Wolfratshauser Sturschädel", diagnostizierte die Bedienung. Also flugs wieder verbuddeln, bevor sich noch die Bauarbeiten verzögern ob des archäologischen Funds. Stattdessen erläuterten die Vier lieber die Parallelen zwischen Schafkopf und der Politik ("es geht um Schmieren oder darum, dass der Ober den Unter sticht, oder dass einer Solo spielt"). Geretsried aber habe einige Trumpfkarten in der Hand: "Oberzentrum, Reichtum und Größe. Damit haben wir Euch bald eingeschnupft", konstatierte Bunker. Da bei der kommenden Wahl die Karten neu gemischt würden, verglichen die Stammtischler die Stadträte mit Flaschen respektive mit Getränken. In der Tat wurde für jeden eines gefunden und damit jeder mindestens einmal erwähnt. Für Heilinglechner gab es ein Radler, für Fritz Schnaller Red Bull, für Hans Holzheu Schorle und für Fritz Meixner Glühwein, "rot und heiß". CSU-Bürgermeisterkandidat Günther Eibl wurde mit einem schwarzen Espresso verglichen, "am besten glei an doppelten, den konn er jetz braucha".

Über das zweite Fenster lurte das Marktgschlerf zu einer neuen "Undercover-Alternativ-Bewegung" namens "Bürgerbeteiligungsgruppe von Wolfratshausen", nicht zu verwechseln mit der Wolfratshauser Bürgerbeteiligungsgruppe. Monty Python's "Volksfront von Judäa" ließ grüßen. Nur mit den Forderungen haperte es, die Mitglieder erschöpften sich in bereits bekannten Forderungen und der Forderung nach Forderungen.

Im dritten Fenster wurde das Publikum Zeuge der Konversation von Bauarbeitern. Sie hätten derzeit "Arbeit ohne Ende", denn die Räte seien "nicht zu bremsen. Mit Inbrunst beten's: ,verdichten, verdichten, verdichten'." Auch wenn Geretsried mehr Fläche habe: "De Wolfratshauser san wia de Geretsrieder: genauso größenwahnsinnig. Aber halt nur im Kleinen." Die Lösung musste dann - ganz modern - eben das Internet und Sprachsteuerung Alexa bieten. Blöd nur, dass Alexa für "Wolfratshausen vergrößern" nüchtern erklärte, nichts finden zu können. Auf die Frage nach mehr Platz gab es immerhin das Angebot eines "Schrumpfstrahls". Die Handhabung aber ging daneben und endete mit der Schrumpfung der Stadträte. Am Ende überreichen die Darsteller die so geschrumpften "Hohlköpfe" an die echten Stadträte, die "großkopfert wia oiwei" im Saal saßen.

Eine neue Chance für hintergründige Sticheleien und Satire gibt es dann am Samstag, 11. Mai, beim ersten "interkommunalen Derblecken" unter dem Motto "Mitanand - Gegaranand" in der Loisachhalle. Ludwig Gollwitzer als Engel Aloisius und Ludwig Schmidt als Bruder Barnabas werden einander und ihren Städten gegenseitig einschenken und austeilen.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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