Kirchenarchitektur:Sankt Josef ganz ohne Maria

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"Ein begrüßender Raum": Sissi Mayrhofer und Pfarrer Gerhard Beham bei der Kirchenführung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zum 25-jährigen Bestehen des modernen Kirchenbaus in Waldram führen Sissi Mayrhofer und Pfarrer Gerhard Beham durch das außergewöhnliche Gebäude. Neben viel Lob gibt es auch ein paar kritische Stimmen.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen­

"Es ist ein Raum, den ich mit liebevollen Augen betrachte, ein Raum, der uns mit seinen ziegelroten Wänden aufnimmt, der einfach schön ist und uns etwas Weiches, Geborgenes vermittelt." Wenn Sissi Mayrhofer vom Pfarrgemeinderat Sankt Andreas über die Vorzüge der Kirche Sankt Josef der Arbeiter in Waldram spricht, lässt sie die Wärme und die Achtung deutlich spüren, mit der sie das markante Gotteshaus betritt, ein Gebäude, das mit seinem hohen, schlanken Glockenturm schon längst zum Wahrzeichen Waldrams geworden ist.

Anlass, die Vorzüge des Hauses zu rühmen, war nun das 25-jährige Bestehen des Gebäudes, das am Kirchweihsonntag 1998 seiner Bestimmung übergeben wurde; Anlass genug auch, gemeinsam mit Stadtpfarrer Gerhard Beham zu einer Kirchenführung einzuladen, die dann mehr zu einem sehr persönlichen theologischen Ausdeuten der baulichen Details geriet denn zu einer baulichen Gesamtwürdigung der noch immer bestechend modernen Architektur. Es sei "ein begrüßender Raum", der dem Besucher wohltuendes Schutzgefühl vermittle, sagte Mayrhofer.

Mayrhofer lobt die bestechend moderne Architektur der Kirche, die zugleich ein Schutzgefühl vermittle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Den Schutzgedanken artikulierte auch Pfarrer Beham, der mit Blick auf die Dachgestaltung des Hauses ein Zelt assoziierte, das ihn wiederum an die Situation des Unterwegsseins des jüdischen Volkes erinnere. Nähere Betrachtung widmeten Mayrhofer und Beham einem schlanken im Fenster ausgestellten schwebenden Holzboot im Ostraum des Hauses, das beide Referenten als symbolisch für die Geschichte des jüdischen Volkes erkannten: Ob man als Mensch denn nicht mit Christus gemeinsam in einem Boot sitze? "Im Meer der Zeit" sei man doch auch in einem Schiff unterwegs. Für Beham passt dieser Leitgedanke auch gut "ins liturgische Jahr". Reflektiert wurde in dem Vortrag der beiden Referenten schließlich auch die Rolle der weit oben im Raum angesetzten Lichtbänder, die das Kircheninnere in eine sehr besondere gedämpfte, ins Mystische tendierende Stimmung tauche.

Der Chor über dem Eingang ist etwas knapp bemessen. (Foto: Hartmut Pöstges)
Und das Kruzifix hinter dem Altar ist manchen Gästen zu kühl. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vorsichtig geäußerte gestalterische Vorbehalte zur Gestaltung des Gotteshauses blieben trotz der euphorischen Gesamturteile nicht ganz aus. Nicht wirklich geglückt sei den Architekten die Gestaltung des Chors über dem Eingang - der sei für die dortige Orgel und für Gesangsauftritte zu schmal geraten, wurde bemängelt. Auch das filigrane, schlanke, kühl wirkende Edelstahlkruzifix hinter dem Altar ist manchem Gläubigen zu distanziert und abstrakt geraten. Sissi Mayrhofer wiederum zeigte sich bekümmert, dass in der Kirche Sankt Josef Maria, die Mutter Gottes, gar nicht vorkomme.

Wie sie den Kirchenbau aus künstlerischer Sicht verstanden wissen wollen, haben die beiden Architekten Wilfried Claus und Gunter Forster auch selbst schriftlich erläutert. Ihrem Konzept zufolge ging es darum, im sakralen Bereich des Kirchenraums "eine reduzierte archaische Architektursprache anzuwenden, um dem Raum Ruhe zu geben und die Ablenkung vom Wesentlichen zu vermeiden". Glas mit Transparenz stehe für Offenheit in der Eingangshalle "als Übergangszone zwischen profanem und sakralem Ort". Bedeutsam ist für die beiden Architekten vor allem "das Prinzip der Reduzierung von Form und Material".

Das Credo der Architekten, die Reduzierung von Form und Material, spiegelt sich auch in diesem Tabernakel. (Foto: Hartmut Pöstges)

Weniger reduziert ging es im festlichen Rahmenprogramm zu. Dafür sorgten nicht zuletzt die Kinder, die während der Betrachtungen zur Architektur und zum künstlerischen Gehalt des Gotteshauses lautstark und quietschvergnügt durch den Altarraum hüpften. Weniger dem formalen Bereich zuzuordnen waren auch die im Pfarrheim gereichten Weißwürste und Kirchweihnudeln. Um den Nachwuchs bei Laune zu halten und gleichzeitig mit dem Waldramer Gotteshaus bekannt zu machen, hatte sich die Pfarrei obendrein ein Kinder-Kirchenquiz ausgedacht. Eine besonders knifflige Frage war die nach der genauen Höhe des Kirchturms. Die hätten auch die meisten erwachsenen Jubiläumsgäste vermutlich kaum aus dem Stand beantworten können.

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