Stadtgeschichte:"Ein großer Schatz"

Lesezeit: 3 min

Ein Objekt, das Rätsel aufgibt: Mit der Schaukelbadewanne will Museumsleiterin Annekatrin Schulz sich noch intensiver beschäftigen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch ein gutes Jahr nach der Neueröffnung entwickelt sich das Wolfratshauser Stadtmuseum kontinuierlich weiter. Für Leiterin Annekatrin Schulz liegt die Herausforderung vor allem im Depot.

Interview von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

4500 Gäste haben im ersten Jahr das neue Stadtmuseum Wolfratshausen besucht. Auf fast 400 Quadratmetern und über sieben Räume verteilt, vermittelt die Ausstellung charakteristische Themen der Stadtgeschichte. Eltern loben vor allem die Familienfreundlichkeit. Kinder steuern vorzugsweise den Kaufladen und die Medienstationen an oder testen mit einer Hantel ihre Kräfte. Im Gästebuch haben sich viele Wolfratshauser, aber auch Tagesgäste aus München und Umgebung verewigt. Die weiteste Anreise hatten Besucher aus Texas und Boston. Museumsleiterin Annekatrin Schulz ist mit der Entwicklung sehr zufrieden. Sie sieht die Herausforderungen nun vor allem im Depot.

SZ: Frau Schulz, welches Objekt aus dem Depot macht sie gerade neugierig?

Annekatrin Schulz: Ganz spontan fällt mir da die Schaukelbadewanne ein.

Die Schaukelbadewanne? Was darf man sich darunter vorstellen?

Das kann ich mir selbst bislang nicht so genau erklären, deshalb finde ich sie auch so interessant. Es ist eine Zinkwanne, oben hat sie an einer Seite eine kleine Abdeckung. Und der Boden ist so geformt, dass sie nicht fest steht, sondern vor und zurückschwingt. Aber es gibt noch viele andere tolle Exponate im Depot. Noch immer sind nicht alle Umzugskartons ausgepackt.

Wie geht es dort weiter?

Zunächst wollen wir alle Exponate ordnen und materialgerecht lagern. Nur die empfindlichen Gemälde bleiben weiterhin im Stadtarchiv, das über ein klimatisiertes Dachgeschoss verfügt. Ziel ist es, dass wir mit unserem Depot arbeiten können. Da freue ich mich drauf! Ein Museum lebt ja von und mit seinem Depot, das ist ein großer Schatz. Und das würde ich auch gerne vermitteln. Dass die Menschen nicht denken: Jetzt ist mein Exponat im Depot, jetzt ist es weg. Im Depot wird geforscht, es birgt das Material für Sonderausstellungen.

Um wie viele Objekte geht es?

Zwei- bis dreitausend. Von großen Dingen wie der Schaukelbadewanne bis hin zu kleinen Münzen. Es gibt landwirtschaftliches Gerät, Kleidung, Unterlagen, auch Geschäftsbücher können sehr spannend sein.

Sie sammeln kontinuierlich weiter. Darf man Ihnen Dachbodenfunde vorbeibringen?

Wir freuen uns sehr, wenn man mit uns Kontakt aufnimmt. Es ist ganz wichtig für uns, dass wir die Geschichte zu den Exponaten kennen. Auch ein Paar Schuhe kann viel erzählen. Von dem Wolfratshauser Weitwanderer Ludwig Graßler haben wir die Bergschuhe bekommen, mit denen er einst die Alpen überquert und einen Weg von München nach Venedig ausgearbeitet hat. In ihnen steckt Geschichte. Wenn uns aber jemand einfach alte Schuhe vor die Tür stellt, sind sie wertlos. Für ein Stadtmuseum kann vieles wichtig und bedeutend sein. Man darf also gerne auf uns zukommen. Dann machen wir einen Termin aus und schauen uns die Sachen an.

Die Wanderschuhe von Ludwig Graßler haben einen Platz in der Ausstellung gefunden. (Foto: Hartmut Pöstges)
Ebenso eine alte Hantel vom Turnverein Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Es ist also noch Platz im Depot?

Begrenzt. Deshalb werden wir jetzt ein Sammlungskonzept erstellen, das uns als Hilfestellung bei der Auswahl dient: Was ist für unser Museum wichtig? Entscheidend ist natürlich der regionale Bezug. Unsere Aufgabe ist es, die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner zu erzählen.

Was ist Ihrer Ansicht nach bis jetzt nicht genügend erforscht?

Es wurde schon unglaublich viel gesammelt und erforscht. Da hat der Arbeitskreis um meinen Vorgänger Hubert Lüttich großartige Arbeit geleistet. Von ihm stammt auch die Inventarisierung. Derzeit bearbeiten wir den Themenkomplex Literaten und Künstler im Bergwald. Auch dazu gibt es schon viel Material, vor allem die tollen Veröffentlichungen des Historischen Vereins Wolfratshausen. Wir wollen nun einen Führungsleitfaden für drinnen und draußen erstellen.

Wie könnte eine verbesserte Kooperation mit dem Badehaus und dem Geretsrieder Stadtmuseum aussehen?

Gerade erstellen wir ein gemeinsames Museumsticket. Die drei Museen lassen sich gut kombinieren. Dazu wird es einen Flyer geben. Der nächste Schritt wäre dann vielleicht eine gemeinsame Sonderausstellung.

Das Museum ist nicht nur behindertengerecht ausgebaut, sondern richtet sich auch dezidiert an Menschen mit Demenz. Was haben Sie dazu geplant?

Da arbeiten wir mit dem Café Malta der Malteser zusammen, ebenso mit der Alzheimergesellschaft und dem Verein Bürger für Bürger. Bislang gab es zwei Nachmittage, an denen wir Menschen mit Demenz durchs Museum geführt haben, drei weitere sind für dieses Jahr geplant. Wir nennen es Museumsgespräche. Die Leute sind unheimlich ruhig und aufmerksam, stellen Fragen und kommen dann auch miteinander ins Gespräch. Das war beide Male sehr schön zu beobachten. Auch die Betreuer haben gesagt: Da haben sich Türen geöffnet.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Naturschutz im Loisach-Kochelsee-Moor
:Wenn der Kiebitz balzt

Die intensive Landwirtschaft raubt dem Kiebitz die Feuchtwiesen, die der Vogel so dringend benötigt. Im Klosterland Benediktbeuern gibt es Anstrengungen, eine kleine Population zu erhalten und zu vergrößern.

Von Veronika Ellecosta

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: