Naturschutz im Loisach-Kochelsee-Moor:Wenn der Kiebitz balzt

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Die meisten Kiebitze zieht es nach der Überwinterung nach Skandinavien. Das Klosterland Benediktbeuern ist oft die erste Raststätte hinter den Alpen. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Die intensive Landwirtschaft raubt dem Kiebitz die Feuchtwiesen, die der Vogel so dringend benötigt. Im Klosterland Benediktbeuern gibt es Anstrengungen, eine kleine Population zu erhalten und zu vergrößern.

Von Veronika Ellecosta, Benediktbeuern

An diesem Märzmorgen geht der Kiebitz gleich in die Vollen. Birgit Weis hat ihn gerade mit dem Feldstecher entdeckt und mit "das ist ein Balzruf!" auf ihn aufmerksam gemacht, schon beginnt das Schaulaufen. Zwei Männchen erheben sich mit kräftigem Schlag in die Lüfte und segeln beinahe synchron durch die Wiesenlandschaft, wo sie sich mit ihrem strahlenden Weiß und reinen Schwarz von den Brauntönen des Märzmoores abheben. Ein paar flotte Loopings, sogleich verschwinden die beiden wieder zwischen den Grasbüscheln und das Spektakel ist vorbei.

Jonathan Hehr und Birgit Weis sind Gebietsbetreuer in den Loisach-Kochelsee-Mooren. Das Kiebitz-Monitoring ist eine ihrer Aufgaben. (Foto: Manfred Neubauer)

Wer genau hinschaut - und Birgit Weis und Jonathan Hehr schauen genau hin - kann an der Vogelbeobachtungsstelle bei den Wasserbüffeln im Klosterland Benediktbeuern sogar acht Kiebitze durch die Wiese staksen sehen. Das liefert den beiden Gebietsbetreuern dennoch keine Anhaltspunkte, ob es ein gutes Jahr für den seltenen Wiesenbrüter wird. Denn die meisten Kiebitze nutzen das Klosterland als Zwischenstation auf ihrem Weg zurück von den Winterquartieren. 50 bis 60 Exemplare waren es mitunter schon mal, aber den Großteil zieht es weiter in andere Regionen Deutschlands bis nach Skandinavien.

Ein Balzflug setzt die Gebietsbetreuer hingegen ein wenig in Aufruhr, denn Balzen heißt Partnersuche, und Partnersuche heißt Nestbau, und Nestbau heißt, dass das Kiebitzpaar bleibt. Sehr früh schon, Mitte bis Ende März wird gebrütet. Der Volksmund nennt den Kiebitz deshalb Frühlingsboten.

Von seinem Balzflug ist Birgit Weis immer hingerissen. Wenn sie dem Kiebitz in ihrem Heimatort Habach dabei beobachtet, vergisst sie den Autolärm der nahen Bundesstraße, erzählt sie mit strahlenden Augen. "Schade, dass das heute niemand mehr kennt." Denn in den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der Kiebitze in Deutschland laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) um etwa 90 Prozent geschrumpft, er gilt heute als "stark bedroht", was ihm die traurige Berühmtheit als Vogel des Jahres eingebracht hat.

Wasserbüffel im Kiebitzbiotop

Schuld daran ist, dass der Kiebitz seinen Lebensraum verliert. Er braucht nährstoffarme und offene Wiesen mit flachen Wasserstellen. Er mag es braun und farblos, denn die dunklen und offenen Flächen kann die Frühjahrssonne schon im März aufheizen, sodass die Jungvögel überleben können.

Aber die Feuchtwiesen und Niedermoore hat der Mensch entwässert, um sie als Grünland für intensive Landwirtschaft zu nutzen. Auch im Klosterland brüten jährlich nur mehr zwischen drei und fünf Paare. Damit immerhin diese kleine Kolonie bleibt, ließ Pater Karl Geißinger 1997 ein Kiebitzbiotop anlegen: Ein paar Wasserlacken, niederwüchsige Wiesen und Nässe gibt es dort, ganz wie der Kiebitz das mag. Heute übernehmen die Wasserbüffel die Mahd.

Wo die Wasserbüffel grasen, liegt das Kiebitzbiotop. In den Neunzigerjahren wurden dort Flachwasserstellen aufgestaut. (Foto: Manfred Neubauer)

Rund um das Kiebitzbiotop besitzt das Kloster Benediktbeuern etwa 200 Hektar Moorlandschaft, einige weitere Flächen im Loisach-Kochelsee-Moor gehören dem Landesbund für Vogelschutzes (LBV). Mit den Pächtern dieser Flächen können Kloster und LBV Übereinkünfte treffen, die Wiesen zu verschiedenen Zeiten zu mähen, damit unterschiedliche Pflanzen einen geeigneten Lebensraum finden. Manche Flächen werden erstmals im Juni, Juli oder August geschnitten, im September gibt es bei den sogenannten Streuwiesen den einzigen Schnitt. Für den Kiebitz ist das wiederum von Vorteil, weil er weder verfilzte Grasmatten noch zu intensives Grünland mit häufigen Schnitten mag. Mit einer sogenannten extensiven Bewirtschaftung kommt er gut klar.

Gebietsbetreuung ist auch Überzeugungsarbeit

Weil die Bewirtschaftung der Wiesen, wie sie der Kiebitz gerne hätte, freiwillig ist, müssen Jonathan Hehr und Birgit Weis Überzeugungsarbeit leisten. Als Gebietsbetreuer - Hehr für das ZUK, Weis für den LBV - sitzen sie an einer Schnittstelle von Umweltschutz, Landwirtschaft und Forschung. Sie beraten Landwirte, schlagen Pflegemaßnahmen vor, vermitteln Wissen und führen Interessierte durch die Landschaft. Und sie überwachen gefährdete Arten wie den Kiebitz. Landwirten raten sie, dem Kiebitz zuliebe die Wasserlacken in der Wiese zu belassen und später zu mähen. In manchen Programmen vom Freistaat erhalten Landwirte eine Vergütung für naturnahes Bewirtschaften. Aber auch unabhängig davon sei es für die Landwirtschaft von Vorteil, mehr Wasser in den Wiesen zu stauen, sagt Jonathan Hehr, schließlich werden Trockenperioden in den kommenden Jahren zunehmen.

Birgit Weis steuert das Auto zu einer zweiten Beobachtungsstelle im Klosterland, sie wurde diesen Winter fertiggestellt. Nach dem 20. März dürfen Wiesen und manche Wege im gesamten Moorgebiet nicht mehr begangen werden, damit die Wiesenbrüter ihre Ruhe haben. Im vergangenen Jahr haben die Kiebitze an dieser Stelle gebrütet - leider ohne Erfolg, wie Hehr berichtet. Er vermutet, dass ein Fuchs das Gelege gefressen hat.

Von der neuen Vogelbeobachtungsstation lassen sich mit dem Feldstecher die Kiebitze beim Brüten beobachten, ohne sie zu stören - sofern sie denn brüten. (Foto: Manfred Neubauer)

Dass die Brut Erfolg hat, ist bisher die einzige Möglichkeit, um den Kiebitz wieder anzusiedeln. Denn er ist sehr standorttreu. Überlebende Jungvögel kommen im Folgejahr wieder. Sollten Kiebitze sich diesen Frühling hier niederlassen, will Jonathan Hehr einen Schutzzaun vor dem Fuchs in einem Radius von 30 Metern um das Gelege aufstellen. Die Altvögel können den Stromzaun überfliegen, für die Jungvögel wird Hehr nach dem Schlüpfen die unterste Litze abklemmen. Nach sechs Wochen sind die kleinen Kiebitze flugfähig, dann kann ihnen der Fuchs nichts mehr anhaben.

An der Station gibt es heute keine Kiebitze zu beobachten. Aber Birgit Weis und Jonathan Hehr werden weiterhin regelmäßig vorbeischauen und auf Balzflüge hoffen. Zwar ist keineswegs gewiss, dass aus balzenden Kiebitzen brütende werden. Aber es ist immerhin wahrscheinlich. Und vielleicht lassen sich die jungen Kiebitze ja davon überzeugen, dass das Klosterland ein guter Ort ist, um wiederzukehren und zu bleiben.

Das ZUK lädt am Donnerstag, 11. April, 19.30 Uhr, zu dem Onlinevortrag "Der Frühlingsbote mit der Federtolle" mit Margarete Siering ein, Informationen unter www.zuk-bb.de

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