Japanische Oper in Wolfratshausen:Minimalismus mit Stilblüten

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Auch Künstler aus der Partnerstadt Iruma stehen bei der japanischen Oper "Die Stadt im Himmel" auf der Bühne. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Edward Ishita bringt "Die Stadt im Himmel" auf die Bühne der Loisachhalle. Das Publikum bleibt weitgehend aus, der Text ist schwer verständlich, das Orchester auf eine elektronische Orgel reduziert. Dennoch ein faszinierendes Erlebnis.

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

Besser negative Werbung als gar keine: Dieses Motto schien sich die "Tokyo Opera Association" zu eigen gemacht zu haben. Der Auftritt des Ensembles am Sonntag in der Loisachhalle war mehr durch die Querelen vorab bekannt geworden als durch Plakate oder Handzettel. So holprig wie der Veranstaltungstitel "Wolfratshausen-Iruma Freundschaft Opera" waren die Vorbereitungen. Hinzu kam, dass Sonntag 17 Uhr keine günstige Zeit ist. All dies führte dazu, dass sich der Besucherandrang in Grenzen hielt. Vorsorglich hatten die Veranstalter die Halle nur zur Hälfte bestuhlt, dennoch blieben die meisten Sitzplätze leer. Die Gäste aus Japan ließen sich nicht entmutigen und spielten und sangen mit einem Engagement, als hätten sie die vollbesetzten Ränge der Met in New York vor sich.

Die Oper "Die Stadt im Himmel" beschreibt in idealisierter Form das Leben von Teigo Iba, einem japanischen Industriellen, der von 1847 bis 1926 lebte und in seiner Heimat sehr bekannt ist. Schon in der Themenwahl zeigte sich ein Unterschied zwischen europäischer und fernöstlicher Mentalität: Kaum ein Europäer käme auf die Idee, das Leben des Werner von Siemens auf die Opernbühne zu bringen, allenfalls verfremdet und kritisch. Nichts von Verfremdung oder Kritik gab es hier: Iba war der strahlende Held des Abends. Edward Ishita, die treibende Kraft hinter der ganzen Unternehmung, hatte nicht nur das Libretto und die Musik geschrieben, sondern stand auch selbst in der Hauptrolle des Teigo Iba auf der Bühne.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Als eine Oper war "Die Stadt im Himmel" deklariert, doch der Aufbau ähnelte eher einem Musical. Kurze, eingängige Gesangsnummern wechselten mit längeren gesprochenen Abschnitten, die für die nicht-japanischsprachige Besuchermehrheit nur geringen bis gar keinen Informationswert besaßen. Damit man sich trotzdem in der Handlung zurechtfinden konnte, wurde vor jeder Szene die Inhaltsangabe auf die Bühnenrückwand projiziert. Bert Brecht und sein episches Theater ließen grüßen, aber die vielen Übersetzungsfehler störten doch sehr. Beispiel: "Iba beschließt, seinen Sitz im Parlament zu räumen, um das System der beschädigten Regierung erlebt zu haben." Man musste schon die englischsprachige Fassung konsultieren, um den Sinn zu ergründen: Er hat seinen Sitz im Parlament geräumt, nachdem er das korrupte Regierungssystem erlebt hatte. Hatte sich da wirklich kein deutscher Muttersprachler gefunden, den Text vorher durchzulesen und die ärgsten Stilblüten auszubügeln?

Die Musik war äußerst schlicht, manchmal fast volksliedhaft gehalten, fest in der europäischen Tradition und der Dur-Moll-Tonalität verankert, mit nur wenigen Andeutungen fernöstlicher Klänge. Das Orchester war auf eine elektronische Orgel reduziert, auf der Makoto Nozaki eine erstaunliche Klangvielfalt erzeugte. Streicher, Flöten, Schlagzeug - alles gab die Orgel her. Ähnlich minimalistisch wie die Musik auch die Inszenierung. Die Bühne der Loisachhalle war weitgehend leer, nur vier einfache schwarze Quader erlaubten das Gehen auf verschiedenen Ebenen, dienten aber bei Bedarf auch als Sitz- und Liegemöbel. Eine wichtige Rolle spielten die Projektionen auf die Rückwand, nicht nur für die Texte, sondern auch für Bilder und kleine Filme. Manchmal bewegten sich diese Projektionen hart an der Grenze zum Kitsch, etwa beim Sternenhimmel mit munter hin- und herfliegenden Sternschnuppen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Unter den Gesangssolisten ragten die Frauenstimmen hervor: Michiyo Hada mit strahlendem Sopran als Geist des Waldes, Kayoko Ishita mit weichem Mezzo als Ibas zweite Frau Umeko. Edward Ishita hatte die zentrale Partie des Teigo Iba für seine eigene Bassstimme geschrieben und dabei manchmal allzu sehr in tiefen Tönen geschwelgt, so dass er auf der Bühne nach unten hin forcieren musste. Dennoch lieferte er eine eindrucksvolle Leistung ab.

Alles in allem: ein faszinierender Einblick in eine fremde Welt, der ein größeres Publikum verdient gehabt hätte.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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