Geschichte:Held mit weißer Fahne

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Zum Gedenken an den Major Karl Luber wurde eine Gedenktafel aufgestellt. Enthüllt wurde sie von Bürgermeister Klaus Heilinglechner (re.). Von links:: Ehrenbürger Edmund Stoiber, seine Frau Karin Stoiber und Stadtrat Manfred Fleischer. (Foto: Harry Wolfsbauer)

An der Andreasbrücke erinnert eine Gedenktafel an Karl Luber, der Wolfratshausen am Ende des Zweiten Weltkriegs vor sinnlosen Todesopfern bewahrte. Der Major hatte sich den Befehlen zum "Endkampf" widersetzt und die Stadt kampflos übergeben.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Sehr auffällig ist sie nicht gerade, die messingfarbene Tafel neben dem Mitfahrbankerl an der Andreasbrücke, die an Karl Luber erinnert. Doch die illustre Runde der etwa 50 Gäste, die ihrer Enthüllung am Dienstag beiwohnten - darunter der Ehrenbürger Edmund Stoiber mit Frau Karin, alle drei Bürgermeister, Stadträte und zwei Spitzenvertreter der Bayerischen Ärzteversorgung, die Luber nach dem Krieg geleitet hatte - zeigte, dass es um eine besondere Persönlichkeit geht. Bürgermeister Klaus Heilinglechner nannte Luber den "Retter von Wolfratshausen" - und bedankte sich bei Christian Steeb und Hans Reiser, die die Ehrung beantragt hatten. Nach ausführlicher Prüfung durch Stadtarchivar Simon Kalleder konnte sie nun vier Jahre später erfolgen, genau 79 Jahre nach dem schicksalhaften letzten Kriegstag in Wolfratshausen.

Die Tafel ist bis zum fertigen Guss in Messing von Kunstschmied Marc-Andreas Hofmeister in circa drei Wochen noch ein Provisorium, ihr Erscheinungsbild aber bleibt. "Gegen das Vergessen" sind die elf Zeilen übertitelt, auf die sich der Kulturausschuss im Stadtrat geeinigt hat. "Major Dr. Karl Luber war Kommandant des Landesschützenbataillons in Wolfratshausen", erfährt man. "Er rettete unter Lebensgefahr zwei Gefangene am 30. April 1945 vor der Ermordung durch die SS." Weil er am selben Tag auch die Sprengung der Andreasbrücke verhindert und den Markt am Abend kampflos der US-Armee übergeben habe, konnte Luber "Wolfratshausen vor weiteren Kriegshandlungen bewahren".

Major Luber übergab Wolfratshausen am 30. April 1945 kampflos den US-Truppen

Mehr erfährt man über einen QR-Code, der einen auf die Seite des Stadtarchivs leitet. Dort sieht man dann auch das Bild eines Mannes in Wehrmachtsuniform, mit ernstem Blick unter der Schildmütze mit dem Reichsadler. Ein Porträt, wie man es sonst eher von den dunklen Seiten der Geschichtsbücher kennt. Befremdlich ist das jedoch nur auf den ersten Blick. Wer weiterliest, der lernt, wie Luber als Major das Schicksal der Stadt dereinst gewendet hat. Schließlich war er dafür verantwortlich, dass es am 30. April 1945, als die amerikanischen Truppen mit ihren Panzern in die Loisachstadt kamen, keine Kampfhandlungen gab und niemand mehr sinnlos sterben musste, um sich dem Unvermeidlichen entgegenzustellen, wie es eigentlich in den Befehlen zum "Endkampf" vorgesehen war. Und das konnte er nur mit der Autorität, die ihm sein Rang auch vor der SS und dem in Föhrenwald untergekommenen Oberkommando des Heeres gab, dem er Bericht erstatten musste.

Pokerface im Wolfspelz: Major Karl Luber rettete mit dem Entschluss, Wolfratshausen nicht gegen die Alliierten zu verteidigen, zahlreiche Leben. (Foto: Archiv Christian Steeb/oh)

So betrachtet, erblickt man auf dem Schwarz-Weiß-Foto unter der Kommandantenmütze ein Pokerface - und viel Mut in den zusammengekniffenen Augen. Sein lange vorher gefasster Beschluss, Wolfratshausen nicht zu verteidigen, "bedeutete für Luber absolute Lebensgefahr", schreibt Christian Steeb in seinem Bericht zum 30. April 1945. "Falls seine Absichten durchgesickert wären, hätte dies sofort das Todesurteil wegen Hochverrats bedeutet."

Wie der Major seinen Ungehorsam immer wieder durchsetzen und vor den Nazis-Größen verschleiern konnte, lässt sich gut in Steebs Buch ("Der erste und der letzte Tag des Dritten Reiches in Wolfratshausen") nachlesen, in dem er die Ereignisse anhand von Zeitdokumenten, Gesprächen und akribischen Recherchen nachzeichnet. In seinen Plan, "dass ich die Verteidigung des Abschnitts Wolfratshausen durch die Wehrmacht unter allen Umständen vereiteln werde", wie Luber aus einem Interview von 1947 zitiert wird, hatte er nur den Kommandanten des Volkssturms eingeweiht, dem er vertraute. Gemeinsam verhinderten sie erfolgreich die Mobilisierung des Volkssturms, indem sie die befohlene Abholung 1300 italienischer Gewehre beim Heereszeugamt in Freimann immer wieder unter Vorwänden verzögerten, bis sie wegen der einrückenden US-Armee nicht mehr möglich war. Dass in der näheren Umgebung nicht gekämpft werden sollte, hatte Luber zuvor auch mit den Kampfkommandanten von Starnberg abgestimmt.

Die Gedenktafel ist bis zum endgültigen Guss von Kunstschmied Marc-Andreas Hofmeister noch etwa Wochen lang ein Provisorium. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Stadtarchivar Kalleder lobte Steebs Aufzeichnungen, die er mit mühsamen Recherchen im Bundesarchiv überprüft hatte - und würdigte in seiner Ansprache die Taten Lubers an jenem 30. April 1945: wie dieser dem Vize-Mesner Ignaz Leb und der Mesnerswitwe Karoline Engelhardt das Leben rettete, weil die beiden vorschnell die weiße Fahne vom Kirchturm gehisst hatten und von pflichtbewussten SS-Schergen wegen Hochverrats exekutiert werden sollten. Luber konnte das gerade noch rechtzeitig verhindern, indem er die Mesnerleute in "Schutzhaft" nahm. Ebenso vereitelte er die bereits vorbereitete Sprengung der Andreasbrücke und ließ das SS-Kommando wieder abziehen, sodass fünf ältere Bürger die Sprengladungen in die Loisach schmeißen konnten. Als die US-Panzer gegen 19 Uhr in den Markt rollten, trat ihnen Luber mit weißer Fahne entgegen.

Ministerpräsident Wilhelm Hoegner ergriff Partei für Karl Luber

Karl Luber war mit der Tochter des bayerischen SPD-Landesvorsitzenden Erhard Auer verheiratet, der ebenso unter Beobachtung der Nazis stand wie seine zwei Schwager, die als Jude und "Halbjude" galten. Lubers Aussage, seine SA-Mitgliedschaft habe dazu gedient, sich dem Argwohn der Gestapo zu entziehen, sei insofern glaubwürdig, sagte Kalleder. In Lubers Spruchkammerakte hätten zudem "bedeutende Personen für ihn Partei ergriffen", etwa der erste bayerische Ministerpräsident der Nachkriegszeit Wilhelm Hoegner und Rupprecht Gerngroß, Initiator der Widerstandsgruppe "Freiheitsaktion Bayern".

Zur Gedenkfeier in Wolfratshausen waren etwa 50 Gäste eingeladen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Luber, der 1977 kinderlos starb, hatte zu Lebzeiten bereits den Bundesverdienstorden am Bande erhalten - allerdings für den Aufbau der Ärzteversorgung in Bayern nach dem Krieg. Nun wird er auch als Held für den Frieden gewürdigt. Wie knapp die Dinge in diesen letzten Kriegstagen lagen, habe sich bei der "Mordnacht" im benachbarten Penzberg gezeigt, wo viele Menschen zwei Tage zuvor ihren Ungehorsam mit dem Tode bezahlen mussten, sagte Kalleder. Luber habe großen Mut bewiesen und sein eigenes Leben riskiert - ein Glück für Wolfratshausen. "Es hätte deutlich schlimmer kommen können", so das Fazit des Stadtarchivars. Bürgermeister Heilinglechner wollte diesem Punkt am Schluss widersprechen: "Es wäre dramatisch ausgegangen", sagte er. Dass es anders kam, sei Luber zu verdanken. Und dass man heute um die Verdienste des Majors wisse, sei wiederum den Antragsstellern der Ehrung geschuldet: "Christoph Steeb und Hans Reiser, die uns da wachgerüttelt haben".

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Ortsgeschichte
:Gedenktafel für Karl Luber

Wolfratshausen will an den Major erinnern, der am 30. April 1945 für ein glimpfliches Kriegsende in der Stadt gesorgt hat.

Von Veronika Ellecosta

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