Das Jahr 2023 im Erinnerungsort:Zeitzeugen, Gastarbeiter und Marionetten

Lesezeit: 3 min

Die Vereinsvorsitzende Sybille Krafft bei der Vorstellung des Jahresprogramms 2023 im Erinnerungsort Badehaus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Badehaus-Verein bestreitet das Veranstaltungsjahr mit einem abwechslungsreichen Programm. Dabei kommen nicht nur Künstler, Autoren und Wissenschaftler zu Wort.

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Vorträge, Filmabende, Zeitzeugengespräche, Podiumsdiskussionen, Puppentheater, Exkursionen und Buchpremieren: Der Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald stellte beim Neujahrsempfang am Samstag ein hochkarätiges Jahresprogramm aus bewährten, aber auch neuen Formaten vor. Doch zuvor konnte Vorsitzende Sybille Krafft den 12 000. Besuch empfangen: Anna Schmidt aus Waldram, die monatlich im Museum vorbeikommt.

Ebenso erfreulich ist, dass der Verein mittlerweile 560 Mitglieder hat. Außerdem konnte er im vergangenen Jahr sieben Preise einheimsen, vom internationalen Obermayer-Award bis zu verschiedenen regionalen Anerkennungen. Und der Reigen an Auszeichnungen geht 2023 gleich weiter, denn das Badehaus bekommt den Wanninger-Preis, einen Kulturpreis der Grünen. Trotzdem sah Krafft mit gemischten Gefühlen in die Zukunft, denn das Badehaus kämpft nach wie vor um die institutionelle Förderung. "Das wird ein Schicksalsjahr", kündigte sie mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen bedeutungsschwanger an. "Wir müssen es schaffen, das Badehaus endlich auf finanziell sichere Füße zu stellen." Allein von der öffentlichen Anerkennung könne der Verein nicht "runterbeißen", die ewige Hangelei von einer Projektförderung zur anderen mache ein solides sachorientiertes Arbeiten nicht möglich. Was genau die Vereinsvorsitzende vorhat, wollte sie auf Nachfrage noch nicht verraten, sie sagte nur so viel: "Es kommt dieses Jahr zum Schwur."

Das Programm sieht bis auf den August für jeden Monat eine Veranstaltung vor. Ende Januar geht es um Rechtsextremismus. Jonathan Coenen, der Vize-Vorsitzende des Vereins, stellt seine universitären Forschungen vor, außerdem gibt es eine Podiumsdiskussion mit bundesweiten Fachleuten. Zunehmend vernetzt sich das Badehaus und knüpft internationale Kontakte. So ist im Februar der österreichische Verein "Alpine Peace Crossing" zu Gast, der zur Erinnerungskultur ein weithin unbekanntes Kapitel beisteuert: 1947 überquerten Tausende jüdischer Displaced Persons in einem beschwerlichen Marsch die Alpen, um in Genua die Schiffe nach Palästina zu erreichen.

Es gibt ein neues Buch über Föhrenwald, das im Piper-Verlag erscheint und im März im Badehaus Buchpremiere feiert: Autor ist der aus der gleichnamigen Wolfratshauser Bäckerfamilie stammende Alois Berger, der heute als Journalist in Berlin lebt und in "Föhrenwald, das vergessene Schtetl" über dieses verdrängte Kapitel deutsch-jüdischer Nachkriegsgeschichte schreibt. Als Zeitzeuge wird außerdem Anton Jakob Weinberger erwartet. Der Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist in Föhrenwald aufgewachsen.

Eine beeindruckende Begegnung mit Abba Naor, einem der letzten Holocaust-Überlebenden, bietet der April. Naor, der die Schrecken des Dachauer Todesmarsches am eigenen Leib erlebt hat und 1945 in Waakirchen befreit wurde, ist Ehrengast bei der Gedenkfeier mit Gedenkzug von Buchberg zum Badehaus. Im Rahmen der Veranstaltung wird auch Andreas Wagner seine neue Publikation vorstellen. Der Geretsrieder Ex-Bundestagsabgeordnete der Linken hat viel zum Todesmarsch geforscht. Im Mai feiert das Badehaus die Verleihung des Wanninger-Preises, im Juni steht ein Abend zur internationalen Erinnerungskultur auf dem Programm, den die diesjährigen Bundesfreiwilligen gestalten. Dabei setzen sich Marie Greck aus Belgien, deren Urgroßeltern im Widerstand waren, und Gavin Maendel aus New York, dessen Großvater als US-Soldat kämpfte, auch mit der eigenen Familiengeschichte auseinander.

"Galerie der Aufrechten" heißt die Sonderausstellung, die von Juli an 64 Porträts von Männern und Frauen des Widerstands im Badehaus zeigt. Auf der Vernissage spricht der Berliner Historiker Wolfgang Benz. Im September begibt sich das Badehaus erstmals auf eine Exkursion, und zwar nach Bayerisch Schwaben zu zwei ehemaligen Synagogen, die nach Zerstörung und Wiederaufbau heute als Begegnungs- und Dokumentationsstätten dienen. Die Veranstaltung "Herzlich willkommen! Als die 'Gastarbeiter' kamen" beleuchtet im Oktober die zwiespältige Situation der ausländischen Arbeitnehmer im Wirtschaftswunderland Deutschland. Es gibt einen halbstündigen Film mit alten Archivaufnahmen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren und ein Gespräch mit Zeitzeugen, darunter Mitglieder der großen griechischen Gemeinde in Geretsried und der türkischstämmigen Familie Ünsal, die in Wolfratshausen den Döner-Imbiss "Pamukkale" betreibt. Im November steht eine künstlerische Intervention mit Max Schmelcher auf dem Programm. Zum Jahresende kommt dann erstmals ein Puppentheater ins Badehaus: Das jüdische Marionettenensemble "Bubales" aus Berlin will sich im Dezember auf spielerische Weise mit jüdischer Speisekultur beschäftigen.

Sonntag, 29. Januar, 18 Uhr: Strategien gegen Rechtsextremismus; Samstag, 11. Februar, 18 Uhr: Alpine Peace Crossing - Der vergessene Marsch über die Alpen; Sonntag, 26. März, 18 Uhr: Buchvorstellung "Föhrenwald, das vergessene Schtetl"; Freitag, 28. April, 16 Uhr: Gedenkzug zum Todesmarsch; Sonntag, 7. Mai, 11 Uhr: Wanninger-Preis; Samstag, 10. Juni, 18 Uhr: Abend der Bundesfreiwilligen; Samstag, 15. Juli, 18 Uhr: Vernissage zur Ausstellung "Galerie der Aufrechten"; Sonntag, 10. September: Synagogentour; Sonntag, 22. Oktober, 18 Uhr: Als die "Gastarbeiter" kamen; Sonntag, 19. November, 18 Uhr: Künstlerische Intervention von Max Schmelcher; Freitag, 1. Dezember, 18.30 Uhr: Die Koschermaschine - Puppentheater aus Berlin.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSkitouren in den Alpen
:"Das ist nicht die richtige Sportart, um aus Fehlern zu lernen"

Skitouren liegen im Trend, doch was müssen Anfänger beachten, bevor sie sich das erste Mal abseits der Piste wagen? Alpenexperte Benedikt Hirschmann über Lawinengefahr, unerwartete Muskelkater und die ideale Einstiegstour.

Interview von Benjamin Engel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: