Volles Haus in der "Heimatbühne":Der entformatierte Philosoph

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Maxi Schafroth präsentierte sich als gutgelaunter Bühnenakteur, der im Alltag scharf beobachtet. (Foto: Manfred_Neubauer)

Maxi Schafroth betreibt in seinem Programm "Faszination Bayern" nicht nur profunde Klischeepflege. In  Kochel spielt er mit dem ihm restlos ergebenen Publikum

Von Wolfgang Schäl, Kochel am See

Ist Maxi Schafroth, soeben erst durch seinen wohlwollend aufgenommenen Nockherberg-Auftritt geadelt, im Grunde seines Herzens wirklich ein scharfzüngiger Kabarettist? Oder ist er womöglich einer, der einfach nur eine elementare Lust aufs Klamaukige hat, politisch oder auch nicht, wie es ihm gerade in den Sinn kommt? Wohl eher Letzteres. Man hat ihm bescheinigt, dass er sich beim bierseligen Münchner Honoratioren-Derblecken im gut erträglichen Rahmen gehalten habe und niemandem aus den Reihen der mitfiebernden Prominenz ernsthaft zu nahe getreten sei. So hielt er es jetzt auch bei seinem Auftritt in der restlos ausverkauften Kocheler Heimatbühne: Schafroth präsentierte sich als gutgelaunter Bühnenakteur, der im Alltag scharf beobachtet und seine Eindrücke amüsant und kreativ drauflos assoziiert.

Mit seinem neuen Programm "Faszination Bayern" entwickelt er einen Hang zum Überdrehten, Skurrilen, jongliert er lustvoll mit Klischees und Plattitüden. Da gibt es den drögen Westfalen aus Mettmann bei Düsseldorf, den rosa-pausbäckigen Oberbayern, den bieder-betulichen Chor der Jungen Union Miesbach und die immer wieder lustvoll verspottete Starnberger Schickeria mit ihren Nobel-Jeeps, den Propellermüttern und den geschmackvollen Daunensteppjacken.

Es gibt aber auch und vor allem den Schwaben aus dem Allgäu, jenem Teil Bayerns, dem Schafroth mit seinem alemannischen Idiom sehr vernehmlich auch selber angehört. Indem er den zwanghaft geizigen, engstirnigen Schwaben persifliert, lacht er sich auch selber aus, denn er verbirgt seine Herkunft aus einem oberschwäbischen Bauernnest mit 78 Einwohnern ja zu keinem Zeitpunkt.

"Man schlupft rein und verfilzt"

Und er ist dabei überzeugend komisch: Mit seinen fast valentinesk dürren Beinen, den grimmig rollenden Augen, den an einen Moriskentänzer erinnernden Posen und seinem "Kittel", einem etwas abgetragen wirkenden braunen Janker, macht Schafroth sich erfolgreich selber zum Ziel seines Spotts: "Man schlupft da rein und verfilzt." Es ist ein Kleidungsstück, das eine ganz eigene Wirkung auf seinen Träger entfaltet: Der spürt "den bayerischen Lodenreflex".

Seinen schwäbischen Landsleuten attestiert Schafroth grundsätzlich, besonders dünnhäutig zu sein - "je höher in der Gebirgslage, desto schneller sind wir beleidigt". Wohingegen man den typischen Mettmanner doch eher "erdmännchenartig aufgekratzt" erlebe. "G'scheid sein, fein sein, beinander bleim, Brombeern brocken, Heizöl horten", so ist das Lebensgefühl des schwäbischen Kleinhäuslers, das Schafroth lustvoll von der Alb auf die Bühne zaubert. Es steht im diametralen Gegensatz zum selbstbewussten "oberbayerischen Patrizier", der mit elegantem Hüftschwung über die Pisten gleitet, während der Allgäuer rastlos die Abhänge hinunterhetzt, um die Tageskarte pro Abfahrt relativ maximal zu verbilligen. "Mein Rekord lag bei 18 Cent." Der Geiz als Selbstzweck - nichts erscheint dem Schwaben erfüllender zu sein als die kollektive Suche nach der preisgünstigsten Tankstelle, sparsam sein ist ein sinnstiftendes Gemeinschaftserlebnis.

Zum Glück belässt es Schafroth nicht bei der profunden Klischeepflege, er unternimmt auch Ausflüge ins Philosophische. Dort hat er sogar seine besten Szenen, dort spielt er erfolgreich mit dem ihm restlos ergebenen Publikum, das aus seinem Munde dankbar ein ganz besonderes Geschenk entgegennimmt: "Den völlig unlogischen, ineffektiven Moment", bei dem es darum geht, "sich zu entformatieren, im Kopf rein zu sein". Wer das auch will, soll schnell mal die Hand heben - eine nicht ernst gemeinte Aufforderung zur Meditation, der die rund 200 Gäste in der überfüllten Heimatbühne spontan und gutgelaunt nachkommen. Dies umso mehr, als Schlitzohr Schafroth sich unschwäbisch als ganz speziellen Freund genau dieser Seegemeinde ausgibt: "My heart is beating for Kochel."

Klar, dass die solchermaßen verwöhnten Kochler den schwäbischen Helden, seinen schüchternen, kongenialen Gitarrenbegleiter Markus Schalk und den "Miesbacher JU-Chor" nicht ohne Ovationen und zwei Zugaben ziehen lassen. Und in denen dreht Schafroth noch einmal richtig auf. Da geht es um die einäugige Eremitin Alwina Zillenbiller und um die für einen "landwirtschaftlichen Entrepreneur", sprich Almbauern, alles entscheidende Frage vor einem möglichen Wetterumschwung: "Mähen oder nicht mähen?"

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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