Versorgung im Oberland:Metzgerei-Handwerk im Umbruch

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Nachwuchsprobleme und Fachkräftemangel stellen Familienbetriebe wie Limm in Münsing und Geiger in Wolfratshausen vor Probleme. Innungssprecher Kaspar Stielner prophezeit weitere Schließungen. Landesverband setzt auf Neuerungen wie Fleischsommelier und Onlineshops.

Von Julia Graber, Bad Tölz-Wolfratshausen

Erst die Metzgerei Geiger am Wasen in Wolfratshausen, dann die Metzgerei Limm in Münsing: Die Schließung zweier Betriebe im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen innerhalb der vergangenen zwei Monate zeigt einen Trend, der sich fortsetzten wird. Familiengeführte Metzgereien müssen aufgeben - und dies oft nach jahrzehntelangem Bestehen.

Thomas Geiger, der auf eine fast 100-jährige Familiengeschichte seiner Metzgerei blickt, nennt vorwiegend zwei Gründe für die Schließung: gesundheitliche Einschränkungen und Mangel an Fachkräften. Nachwuchs fehle seit Jahren, erklärt er. "Mit Aushilfen konnte man sich zwar über Wasser halten, die Fachkräfte fehlten trotzdem." Er weist aber auch auf den Preiswettbewerb hin. "Was große Unternehmen anbieten, da können kleine Familienbetriebe nicht mithalten."

Ein zentrales Problem seien außerdem Parkplätze. Kunden kauften Fleisch und Wurst eher im Supermarkt ein, als dass sie extra noch zur Metzgerei führen und dort Parkgebühren zahlten. Daher prophezeit Geiger weitere Schließungen eigenständiger Metzgereien.

"Da der Fachkräftemangel immens ist, können kleine Unternehmen die Arbeitslast nicht mehr bewerkstelligen", erklärt Kasper Stielner, Obermeister der Metzger-Innung Miesbach-Bad Tölz/Wolfratshausen und Inhaber der Metzgerei Stielner in Weyarn. Dazu komme das verbreitete Vorurteil, Angestellte müssten jeden Samstag arbeiten. Ein hartnäckiges Gerücht, so betont Stielner, das junge Leute vor der Berufswahl im Fleischerhandwerk, auch als Metzgereifachverkäuferin oder -verkäufer abschrecken. "Die, die am Samstag arbeiten, haben Montag frei", stellt Stielner für seinen Betrieb klar.

Nach Aussage des Innungssprechers interessieren sich pro Jahr vier bis fünf junge Schulabsolventen für Berufe im Bereich von Metzgerei und Lebensmittelherstellung, während es gleichzeitig einen Ansturm auf die Bundespolizei von etwa 90 Bewerbern und Bewerberinnen gebe. Diese Erfahrung habe er gemacht, als er am Job-Speed-Dating in Bad Tölz teilnahm. Dieses hatte sich vorwiegend an Mittel- und Realschulen sowie an Förderzentren aus dem Landkreis gerichtet.

Daher hat Stielner das Gefühl, die jungen Leute wollen "alles andere, bloß nicht das Lebensmittelhandwerk" erlernen. Dabei umfasse der Beruf weit mehr als das Schlachten von Tieren. So hätten Meister die Möglichkeit, auf dem zweiten Bildungsweg Lebensmitteltechnik zu studieren. "Doch leider sind die jungen Leute meist noch nicht mal an einem Praktikum interessiert", sagt Stielner. Und das, obwohl es viele Initiativen gebe, um junge Leute für den Beruf zu begeistern. Beispielsweise sei kürzlich ein Radio-Spot im Lokalsender "Alpenwelle" gesendet worden, doch laut Stielner "hatte er keine richtige Wirkung".

Fingen im Jahr 2006 in Bayern noch mehr als 3000 junge Leute eine Ausbildung zum/zur Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk in Bayern an, waren es im Jahr 2020 nur noch 906 Auszubildende. Im Bereich der Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk mit Schwerpunkt Fleischerei waren es 2018 lediglich 426 Azubis, 2020 ging der Trend weiter nach unten und nur noch 348 Menschen entschieden sich in Bayern für diese Ausbildung.

Die aktuelle Corona-Lage verschärfe die Situation für kleine familiengeführte Betriebe zusätzlich, erklärt der Innungssprecher. Es bestehe ohnehin bereits Fachkräftemangel, sagt er, und nun müssten sich die Mitarbeitenden auch noch zusätzlich um die Corona-Vorschriften kümmern. Stielner selbst geht in dreieinhalb Jahren in Rente; wer dann seine Metzgerei übernimmt, steht nicht fest.

Im Landkreis verschärft sich die Lage im Juni noch weiter. Aktuell gibt es an der Berufsschule Bad Tölz im Bereich Fleischer- und Lebensmittelhandwerk nur noch die Jahrgangsstufe 12. Die Klassengröße belief sich in diesen beiden Berufszweigen zuletzt immer nur auf fünf bis zehn Schüler. Daher hat die Regierung beschlossen, den Bereich in Bad Tölz auslaufen zu lassen. Künftig müssen Azubis zur Berufsschule für das Metzgerhandwerk in München am Simon-Knoll-Platz pendeln. Die jungen Leute haben dann einen Tag pro Woche in der Schule in München Unterricht. Diese Entwicklung bedauert der Tölzer Berufsschulleiter Franz Hampel sehr. "Für das Schulleben ist es ein Verlust", sagt er.

Dennoch blickt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands für das bayerische Fleischerhandwerk, zuversichtlich in die Zukunft. "Jede vierte Metzgerei steht in Bayern", sagt er stolz. Zwar weiß er: "Wir werden die nächsten Jahre massiv die Betriebe verlieren. In zehn bis fünfzehn Jahren werden wir uns halbieren", sagt er. Doch er verweist auf die zahlreichen positiven Entwicklungen, die der Handwerksberuf in den vergangenen Jahren genommen habe. Als Beispiel nennt er die Neueinführung des Fleischsommeliers. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Qualifikation für Metzgerinnen und Metzger. Es werden theoretische und praktische Inhalte vermittelt, von der Kulturgeschichte des Fleisches über Haltung, Rassen, Ursprung und Genetik bis zu Zubereitung und Gewürzkunde.

Daneben weist Bubnick auf die verschiedenen Vertriebsmöglichkeiten hin, die immer beliebter würden, beispielsweise Fleischautomaten oder Onlineshops. "Das Fleischerhandwerk stirbt nicht aus", betont er.

© SZ vom 08.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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