Umweltschonende Mobilität:Strampeln für den Klimaschutz

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Beim Stadtradeln legen 681 Teilnehmer im Landkreis heuer insgesamt 150 000 Kilometer zurück und damit 50 Prozent mehr als 2018. Sie vermeiden so 21 Tonnen Co₂-Ausstoß - zumindest in der Theorie.

Von Viktoria Spinrad, Bad Tölz-Wolfratshausen/Penzberg

Als seine Führung in Gefahr war, stieg Leander Duschek auf sein Rennrad und heizte 80 Kilometer am Starnberger See entlang. Gerade genug: Für eine letzte Revanche konnte sich sein Erzrivale vom Penzberger Gymnasium, Sportlehrer Karl-Heinz Kammermeier, am Abend nicht mehr aufraffen. Nach drei Wochen und Hunderten Kilometern Radeln musste sich der Sportlehrer dem 14-Jährigen mit 1,8 Kilometern Unterschied geschlagen geben. "Das war es mir wert", sagt Leander. Sein Klassenkamerad Caspar Ringel war den beiden da schon uneinholbar davongefahren. Mit 1111 Kilometern hat er das beste Ergebnis für die Schule geholt; im Landkreis Weilheim-Schongau belegt das Penzberger Gymnasium beim Stadtradeln Platz 1.

Sich gegenseitig anspornen, miteinander in einen freundlichen Wettbewerb treten - genau auf eine solche Dynamik setzt das Projekt Stadtradeln. Die Gewinner des bundesweiten Projekts für Klimaschutz sind am Donnerstagabend geehrt worden. Ein Blick auf die gegenüber 2018 fast verdoppelte Teilnehmerzahl zeigt, dass es in der Region immer mehr Leanders und Kammermeiers gibt.

In Zeiten des Klimawandels und der Freitagsdemonstrationen sind offenbar immer mehr Menschen bereit, sich am Stadtradeln zu beteiligen. Dafür müssen sich Teilnehmer auf der Website registrieren, einem Team beitreten und ihre Kilometer auf dem Radl über drei Wochen in die App eintragen. Egal, ob jemand zur Arbeit radelt, in die Schule oder am Starnberger See entlang - alles zählt. Und zehrt. "Nach den 80 Kilometern musste ich mich erst einmal kurz hinlegen", berichtet Leander. Aber auch der 37 Jahre ältere Sportlehrer Kammermeier musste auf sich achten, sich auf dem 40 Kilometer langen Heimweg den Kesselberg hinauf schon einmal einen Snack beim Bäcker gönnen. "Sonst ist man nachher unterzuckert", sagt er.

Dass ein wenig Wettbewerb auch eine Radl-Kampagne für die Umwelt belebt, zeigen (v. li.) Sportlehrer Karl-Heinz Kammermeier, 51 Jahre, Caspar Ringel, 14, und Leander Duschek, 14, vom Penzberger Gymnasium. (Foto: Manfred Neubauer)

Ganz aus Zucker durfte aber auch nicht sein, wer sich in den drei Wochen konsequent Wind und Wetter stellen wollte. Unangenehm wurde es dann, wenn es schon morgens auf dem Weg zur Schule oder der Arbeit schüttete, wie Susanne Leonhard vom Wolfratshauser Bauamt berichtet, "Aber man merkt auch: So oft ist das Wetter gar nicht schlecht."

Auf solche Erkenntnisse dürften die Erfinder des Spaßwettbewerbs gesetzt haben, als sie die Kampagne vor elf Jahren wie ein Netz über alle Bundesländer ausgeweitet haben. Die Kampagne sollte Teilnehmer animieren, sich gerade bei Kurzstrecken auf das Fahrrad zu schwingen statt sich in das Auto zu setzen. Mehr Radlfahrten vor Ort ist gleich weniger CO₂-Ausstoß, weniger Lärm, besseres Klima, gesündere Menschen - so lautet die Rechnung. Kann die aufgehen? Oder radeln diejenigen, die sich sowieso auf das Fahrrad setzen, einfach noch fleißiger?

In den Kommunen tendiert die Einschätzung eher zu letzterem. "Momentan nehmen viele teil, die sowieso mit dem Rad fahren würden", sagt Susanne Leonhard aus dem Wolfratshauser Bauamt. Ähnlich sieht es Roswitha Foißner, Energieberaterin im Geretsrieder Rathaus. "Wer sich nie aufs Rad setzt, wird für die drei Wochen nicht anfangen", meint sie. "Unsportliche Schüler bringe ich mit der Aktion nicht zum Radlfahren", sagt Lehrer Kammermeier. Und der Klimaschutzbeauftragte des Landkreises, Andreas Süß, sagt: "Es wird immer die Leute geben, die 500 Meter lieber mit dem Auto zurücklegen."

Er spricht die großen, strukturell ineinandergreifenden Stellschrauben an: ein Verkehrssystem, das vor allem auf Pkw ausgerichtet ist; Radwegnetze, deren Erweiterung immer wieder am komplizierten Grunderwerb scheitern; eine geplante CO₂-Steuer, "die eine echte Steuerungswirkung hätte."

Und im Kleinen? Ist so mancher im Nachgang vom Stadtradeln angefixt. Eigentlich sollte die Klasse 9b am Penzberger Gymnasium zum Wandertag in dieser Woche auf die Neulandhütte wandern. Doch einige haben nun durchgesetzt, dass sie mit dem Radl hochfahren. Man könne ja schließlich auch Schritttempo fahren, argumentieren die Schüler.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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