SZ-Adventskalender:Weil Essen mehr ist als Sattwerden

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Gut und günstig essen, Bekannte treffen und ein wenig plaudern: Mittagstisch im Humplbräu. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Mittagstisch im Wolfratshauser Humplbräu wird nicht nur wegen des günstigen Preises gern besucht. Die Initiative "Von Mensch zu Mensch" braucht dafür weiterhin Unterstützung.

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

In der weihnachtlich geschmückten Wirtsstube sind fast alle Tische besetzt, allenthalben klappern Bestecke und Geschirr, die Stimmung scheint gelöst zu sein, es wird geplaudert und gelacht. Auf den Tischen dampfen Gemüsecurry mit Reis und gebackener Fisch mit Kartoffeln. Ein ganz normaler Freitagmittag in einer bayerischen Gaststätte? Jein. Ein ganz normaler "WOR is(s)t zusammen"-Tag im Wolfratshauser Humplbräu. Unter dieser Überschrift haben drei politisch und sozial engagierte Frauen vor einem Jahr einen günstigen Mittagstisch initiiert, der sich seitdem etabliert hat.

Die Wolfratshauser Obdachlosenbetreuerin und Flüchtlingshilfe-Koordinatorin Ines Lobenstein, Seniorenreferentin Ulriche Krischke (Bürgervereinigung Wolfratshausen) und SPD-Vorsitzende Ingrid Schnaller haben dafür gesorgt, dass die Wolfratshauser Traditionsgaststätte an der Marktstraße jeden Donnerstag und Freitag zwei Mittagessen zur Auswahl für jeweils zwei Euro auf die Tische bringt. Den Fehlbetrag zum kostendeckenden Preis von acht Euro steuert die Initiative "Von Mensch zu Mensch" bei, welche die Frauen gegründet haben.

(Foto: SZ)

Seit Projektbeginn im November vergangenen Jahres sind laut der Homepage der Initiative beinahe 50 000 Euro an Spenden eingegangen, ausgegeben wurden rund 46 000 Euro. Um den Mittagstisch weiterhin finanzieren zu können, wird "Von Mensch zu Mensch" den Preis für die Gäste im Januar von zwei auf drei Euro anheben. Und weiterhin gilt wie von Anfang an: Es können alle zum Mittagstisch kommen, die möchten, wer allerdings nicht auf den extrem vergünstigten Preis angewiesen ist, wird gebeten, mehr zu geben.

Nach dem Essen gibt's noch Kaffee und Plätzchen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Einige der Männer und Frauen, die da in gemütlichen Runden beisammensitzen, sind heilfroh, für zwei Euro eine gute Mahlzeit zu bekommen. Die 70-jährige Martha (Name geändert) sagt: "Ich bin dankbar, dass so etwas ins Leben gerufen wurde." Sie lebe seit Jahren allein, sagt sie und deutet auf den schön angerichteten gebackenen Fisch: "Machen Sie dieses Gericht mal allein für sich selber!" Und das für zwei Euro: "Abwechslungsreich, gut und reichlich - was willst du mehr." Außerdem treffe sie beim Mittagstisch im Humplbräu Bekannte, mit denen sie gern ratsche.

Martha hat eine kleine Rente, die zur Hälfte für die Miete ihrer Einzimmerwohnung in Wolfratshausen draufgeht. Neben dem Lebensnotwendigen könne sie sich nichts leisten, sagt sie. "Für Kultur ist nichts übrig." Ein Kinobesuch oder gar ein Konzert? "35 Euro für eine Karte kann ich nicht ausgeben. Für 35 Euro gehe ich einkaufen."

"Gut essen, gemütlich beisammensitzen": Die Gäste sind zufrieden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zwischen 70 und 90 Gäste kämen zu den Mittagstischen, berichten die drei Initiatorinnen. Und wie nebenbei komme sie als Sozialberaterin niedrigschwellig mit Menschen ins Gespräch, denen sie mit ihrem Rat weiterhelfen könne, sagt Ines Lobenstein, etwa weil sie Anspruch auf Grundsicherung haben, ohne es zu wissen. Ulrike Krischke sagt, das Essen gebe vielen Struktur in ihrem Alltag. Deshalb betonen alle drei: "Wir wollen das Projekt sichern."

Darauf können auch die beiden Nachbarinnen aus Farchet nur hoffen, die seit einem Jahr jede Woche kommen. Die eine ist Ende siebzig, die andere Anfang achtzig. Sie finden den Mittagstisch "toll und gemütlich". Von Farchet sei es für sie beide ein schöner Spaziergang bis in die Altstadt; das Essen schmecke immer gut; anschließend noch mit anderen zusammensitzen und sich austauschen: "Dann is der Nachmittag scho schee glaffa", sagt die eine. Und beide erklären, sie hätten auch Bekannte angesprochen, dass sie ebenfalls zum Mittagstisch kommen. Ines Lobenstein bestätigt es: "Es haben sich schon Stammtische gebildet." Ein Projekt also, das in jeder Hinsicht gemeinnützig ist.

www.worhilft.de

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