"Speed-Debating" am Moraltpark:Partyplausch mit Politikern

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Wer Landrat werden will, muss auch Bierdeckel fangen können. Amtsinhaber Josef Niedermaier (Freie Wähler, re.) schafft immerhin drei. (Foto: N/A)

Die Landratskandidaten für die Kommunalwahl stellen sich im Tölzer Pistolero-Club den Fragen der Jugendlichen. Berührungsängste gibt es nicht.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Im Pistolero-Club am Moraltpark wird am Donnerstag nicht Party gemacht, sondern Politik. Oder vielmehr Wahlkampf und politische Bildung. Klingt dröge, ist aber nicht so. Denn die von diversen Jugendeinrichtungen im Landkreis organisierte Veranstaltung ist pfiffig und kombiniert lockere Fragerunden mit Information und Spielen. Die etwa 70 jungen Leute, meist 14, 15 Jahre alt, finden das "Speed-Debating" jedenfalls ziemlich cool. Fast alle sind von der Südschule, deren Lehrer sich offensichtlich für die Veranstaltung ins Zeug gelegt haben. "Ein gutes Angebot", lobt der 15-jährige Philipp. In der Schule bekomme man nicht so viel von Politik mit.

Die 15-jährige Annalena ist extra aus Benediktbeuern gekommen, weil sie sich sehr für Politik interessiert, wie sie sagt. Und dass man Politiker mal persönlich kennenlernen könne, sei ja auch was Besonderes, findet sie. Im Pistolero stellen sich die Landratskandidaten den jungen Leuten. Sepp Niedermaier (FW) ratscht mit Klaus Koch (Grüne) und Filiz Cetin (SPD), die ihren 16-jährigen Sohn mitgebracht hat. Sebastian Englich (Linke) erzählt, dass er schon mal beim Speed-Debating mitgemacht hat. Allerdings "auf der anderen Seite", als ehrenamtlicher Helfer für die Tölzer Jugendförderung. "Ich finde es gut, Jugendliche für Politik zu begeistern", sagt er. Toni Demmel (CSU) hat auch Spaß, obwohl die Veranstaltung seinen Terminkalender noch voller mache.

Die allermeisten Teilnehmer wollen bei der Jugendkommunalwahl mitmachen, die im Landkreis heuer erstmals und einmalig in Bayern stattfindet. Alle 12- bis 17-Jährigen dürfen digital abstimmen. Beim Speed-Debating gibt es deshalb auch Informationen zu den Wahlmodalitäten von Kreisjugendpflegerin Verena Peck und einen Infofilm. "Die Kommunalwahlen sind rätselhaft", beginnt der Film, der die Bedeutung rätselhafter Begriffe wie Panaschieren und Kumulieren erklärt. Davon abschrecken lassen sich die jungen Leute nicht. Dass die Ergebnisse der Jugendwahl aus juristischen Gründen nicht vorab veröffentlicht werden, wird zwar unter den Landratskandidaten diskutiert, die Jugendlichen kümmert das aber offenbar wenig. "Ich finde es super, dass man sich schon mal einen Überblick machen kann, wie das geht mit dem Wählen", sagt der Achtklässler Hamudi. Auch der 14-jährige Haji will mitmachen, "ich bin sowieso die ganze Zeit online." Er hat sich Fragen überlegt: "Was würden Sie für Kinder und Jugendliche machen, was für arme Leute?" Den amtieren Landrat Niedermaier kennen wenige, nur einzelne Hände gehen auf die Eröffnungsfrage von Moderatorin Veronika Ahn-Tauchnitz vom Tölzer Kurier hoch. Das wird sich im Verlauf des Abends ändern; denn spätestens beim Dosenwerfen oder Masskrugstemmen haben sich Jugendliche und Kandidaten kennengelernt. Berührungsängste gibt es aber ohnehin nicht. Bei den Speed-Debating-Runden, bei denen die Jugendlichen fünf Minuten mit den Kandidaten sprechen können und dann weiterwandern, herrscht reger Andrang an den Tischen. Wer keine eigenen Fragen hat, kann in eine Fragen-Schatztruhe greifen.

Filiz Cetin (SPD) hat genau eine Streichholzlänge Redezeit. Sebastian Englich (Linke) beobachtet genau, ob sie sich daran hält. (Foto: N/A)

Der 15-jährige Michele hat eine Frage. Er will von Filiz Cetin wissen, warum das mit der Nordspange in Tölz so lange dauert. Die SPD-Kandidatin zieht ihr Tablet aus der Tasche und zeigt den Jugendlichen an ihrem Tisch den Animationsfilm über die geplante Trasse, spricht über lange Genehmigungsverfahren und Einwendungen von Bürgern und der Nachbarkommune Greiling. Viele Fragen drehen sich um Verkehrsprobleme. Toni Demmel muss eine Antwort auf die Frage geben, wie man als Jugendlicher im Landkreis nachts nach Hause kommen soll. Es entspinnt sich ein Gespräch über Nachtbusse und die Frage, ob Busse kostenlos sein sollten. "Was nix kost', is nix wert", sagt Demmel - eine Argumentation, der die jungen Leute nicht widersprechen. Aber billiger als ein Taxi sollten Busse schon sein, finden sie. Auch am Tisch von Klaus Koch ist der ÖPNV Thema. 20-Minuten-Takt bei den Bussen? Da ist Koch auf jeden Fall dabei. "Ich weiß wie das ist, ich habe jahrelang meine Kinder irgendwo abgeholt", sagt der Eurasburger.

Zwischenbilanz nach einigen Fragerunden? Noch keine Wahl getroffen, heißt es meist. Es sei nicht leicht, Unterschiede zwischen den Kandidaten zu entdecken, findet Hamudi. "Jeder sagt, das will er machen." Landrat Niedermaier ist beeindruckt. "Da kommen super Fragen", sagt er. Auch persönliche: was für ihn die größten Belastungen im Amt seien, oder warum er sich überhaupt engagiere. Das will auch die 13-jährige Theresa von Klaus Koch wissen. Das Waldsterben in den 80-er Jahren habe den Ausschlag gegeben, erzählt der. Eine Reise in die Tschechoslowakei in der 9. Klasse, dürre Bäume, kaputte Wälder: "Ich habe gedacht, jetzt geht die Welt unter", erinnert sich Koch. Da habe er den Entschluss gefasst, sich politisch zu engagieren. Theresa und die anderen am Tisch nicken.

© SZ vom 15.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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