Kirchenimmobilien:Katholische Kosteneinsparungen

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Gerade wird Sankt Benedikt notdürftig saniert. (Foto: Hartmut Pöstges)

Weniger Katholiken, weniger Kirchensteuer: Um zu sparen, verkleinert die Erzdiözese München und Freising ihren Immobilienbestand. Als erstes trifft es Sankt Benedikt in Ebenhausen. Die Kirche wird demnächst profaniert.

Von Veronika Ellecosta, Schäftlarn

Eigentlich sollte es nur eine Notfallsanierung werden. Weil im Dach Asbest entdeckt worden war, sollte der kleinen katholischen Kirche Sankt Benedikt in Ebenhausen temporär ihre Eindeckung abgenommen und ausgetauscht werden. Aber zu seiner ursprünglichen Funktion wird das Kirchengebäude nach der Sanierung nicht mehr zurückkehren, denn mittlerweile steht fest: Sankt Benedikt wird profaniert. Das haben Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat in Schäftlarn bereits in der zweiten Juliwoche beschlossen, wie das Erzbischöfliche Ordinariat München erklärt.

Profanierung bedeutet, einem sakralen Ort per Verwaltungsakt seine sakrale Bedeutung zu entziehen. Wie genau der Ritus im Detail vollzogen wird, empfiehlt die Deutsche Bischofskonferenz. Die Entweihung ordnet der Diözesanbischof per Dekret an, das er in einem letzten Gottesdienst verliest und damit wirksam macht. Dann muss alles raus: Reliquien und das sogenannte "Allerheiligste", die Hostien im Tabernakel, werden entnommen und in einer Prozession in eine andere Kirche gebracht. Zum Schluss wird das "Ewige Licht" gelöscht.

Wohin die sakralen Elemente aus Sankt Benedikt transportiert werden, steht noch nicht fest - auch nicht, ob die Kunstgegenstände anderswo wieder ausgestellt werden. Es ist bei den Katholiken Usus, mobile Objekte an einen anderen Sakralbau weiterzugeben. In Sankt Benedikt muss dazu erst einmal ein Inventar der Eigentumsverhältnisse erstellt werden.

Ebenfalls ungewiss ist derzeit, was mit dem Gebäude nach der Entweihung passieren wird. Oft werden Kirchen im Dialog mit der jeweiligen Kommune anderweitig genutzt, etwa als Kindergarten oder Bibliothek. Nur in seltenen Fällen wird die Immobilie verkauft und abgerissen.

Wegen ihrer Akustik wird die Kirche gern für Konzerte genutzt (hier das Vokal-Ensemble Icking). (Foto: Hartmut Pöstges)

Warum es ausgerechnet die kleine Kirche in Ebenhausen trifft, begründet das Ordinariat mit Kosten. Eine Sanierung des Gebäudes wäre teuer und langwierig geworden, lässt das Ordinariat wissen. Kirchenstiftungen und Erzdiözesen müssten abwägen, ob der finanzielle Aufwand zum Erhalt der Gebäude in einem sinnvollen Verhältnis zu deren Bedeutung und Wirksamkeit für das Gemeindeleben steht. "Dies war im Fall von Sankt Benedikt nicht mehr gegeben", heißt es. Das Ordinariat argumentiert, dass in es im Pfarrverband Schäftlarn noch genügend andere Gotteshäuser gebe, wo Messen gefeiert werden können. Im Pfarrverband, der neben Schäftlarn die Gemeinden Baierbrunn und Icking umfasst, stehen dazu insgesamt zehn weitere Kirchen offen.

Das Wandbild des Malers Franz Nagel ist ein Charakteristikum der Ebenhauser Kirche Sankt Benedikt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sankt Benedikt wurde 1965 geweiht und bietet in seinem Inneren 450 Plätze. Als Herzstück des ansonsten schlichten Gebäudes gilt das Altarbild von Maler Franz Nagel. Es stellt weitgehend abstrakt das himmlische Jerusalem dar und folgt dabei den Schilderungen der Visionen des Apostels Johannes. Wegen seiner Akustik lockten auch Konzerte Besucherinnen und Besucher in den Sakralbau.

Mit der Schließung trifft es Sankt Benedikt als erste Kirche im Erzbistum seit einer langen Zeit. In den vergangenen Jahren hat München/Freising, zu dem auch die Dekanate Bad Tölz und Wolfratshausen zählen, keine Gotteshäuser entweiht. Es fanden lediglich wenige Profanierungen von Kirchen statt, um sie abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Tatsächlich profaniert und umgewidmet wurden die Karmelitenkirche und die Allerheiligen-Hofkirche in München, beides liegt aber mehr als 60 Jahre zurück.

So viele Austritte wie nie zuvor in einem Jahr

Damit ist es jetzt wohl vorbei, denn Sankt Benedikt soll nicht die einzige Kirche bleiben, die profaniert wird. In den vergangenen Wochen hörte man aus dem Erzbistum, dass Schließungen von Kirchen in Betracht gezogen werden, um zu sparen. Die jüngeren Zahlen aus dem Haushalt deuten auf einen finanziellen Abwärtstrend hin: 2022 verbuchte die Erzdiözese rund 912 Millionen Euro an Erträgen, davon kamen 658 Millionen Euro aus der Kirchensteuer. In diesem Jahr rechnet die Erzdiözese nur noch mit Erträgen in Höhe von 833 Millionen Euro und fällt damit ins Minus, da die geplanten Aufwendungen sich auf 894 Millionen Euro belaufen. Inflation und Tariferhöhungen lassen die Kosten steigen, zudem nehme der Bedarf an Instandhaltung und Investitionen zu, argumentiert die Kirche.

Neben den steigenden Kosten reißt die hohe Zahl der Kirchenaustritte ein Loch ins Budget des Erzbistums. Im vergangenen Jahr verließen 49 000 Menschen in München/Freising die katholische Kirche, 14 000 mehr als im Vorjahr. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wurden 1850 Austritte gezählt. Sowohl im Landkreis als auch im Erzbistum sind es die meisten jemals gezählten Austritte in einem Jahr. Vielen geht es um den mangelhaften Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen, wie Generalvikar Christoph Klingan in einer Pressemitteilung zugibt. Anfang vergangenen Jahres traten besonders viele Menschen aus der Kirche aus - es war der Zeitpunkt, als das Missbrauchsgutachten der Erzdiözese erschien und das Fehlverhalten von Joseph Ratzinger thematisierte.

Generalvikar Christoph Klingan leitet seit 2020 die zentrale Verwaltungsbehörde der Erzdiözese München und Freising, das Ordinariat. (Foto: Niels P. Joergensen)

Klingan, oberster Verwalter der Erzdiözese, kündigte angesichts der enger werdenden finanziellen Spielräume an, "jetzt zu handeln und Entscheidungen zu treffen: Wo setzen wir Schwerpunkte, wo sind Veränderungen angezeigt, wo wollen wir etwas neu oder anders machen und wo etwas aufgeben?" Damit beginnt die Erzdiözese unter dem Titel "Wirkung entfalten und Kirche gestalten" eine Immobilienstrategie. Sie will die Kosten für Bauunterhalt und Immobilien reduzieren. Das bedeutet, genau schauen, welche Gebäude sie abstoßen und welche sie erhalten will. Nach zwei Jahren in zwei Pilot-Dekanaten will die Erzdiözese das Projekt in allen Dekanaten etablieren. Auch wenn die Profanierung von Sankt Benedikt nicht im Rahmen dieser Strategie entschieden worden ist, scheint sie ein Vorbote zu sein.

Ungewiss ist derzeit auch, wann Kardinal Reinhard Marx den letzten Gottesdienst in Sankt Benedikt feiern und das Profanierungsdekret vollziehen wird. Messen finden derzeit in der Kirche noch statt. Und auch die Notfallsicherung des Daches wird zu Ende geführt werden, um die Verkehrssicherheit des Gebäudes zu gewährleistet. Und das Ordinariat betont: Bevor die Profanierung angekündigt wird, könne sich die Gemeinde über einen gewissen Zeitraum auf den Abschied von ihrer Kirche vorbereiten.

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