Geflüchtete aus der Ukraine:Probleme mit dem Rechtskreiswechsel - und was jetzt zu tun ist

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Vom 1. Juni an ändert sich für Geflüchtete aus der Ukraine der Bezug ihrer Leistungen. Konnten sie bis dahin Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen, werden diese künftig nach dem SGB II oder durch Sozialhilfe gewährt - die Zuständigkeit ändert sich also, der sogenannte Rechtskreiswechsel wird vollzogen. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Von 1. Juni an ändert sich für Geflüchtete aus der Ukraine der Bezug ihrer Leistungen. Sie und ihre Helfer haben nur noch wenige Tage, um alle notwendigen Unterlagen vorzulegen.

Von Claudia Koestler und Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Ein Begriff, viele Fragezeichen: Vom kommenden Mittwoch, 1. Juni, an ändert sich für Geflüchtete aus der Ukraine der Bezug ihrer Leistungen. Konnten sie bis dahin Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen, werden diese künftig nach dem SGB II oder durch Sozialhilfe gewährt - die Zuständigkeit ändert sich also, der sogenannte Rechtskreiswechsel wird vollzogen. Das Landratsamt ruft deshalb alle Geflüchteten aus der Ukraine auf, sich bei den Einwohnermeldeämtern zu melden, und bittet die Helferinnen und Helfer sowie die Vermieterinnen und Vermieter, diese Information weiterzutragen. Auch Landkreis und Kommunen stünden finanziell und organisatorisch "vor großen Herausforderungen", sagte Landrat Josef Niedermaier (FW) im Kreisausschuss.

Die Anträge auf Aufenthaltserlaubnis, die bereits bei der Meldung im Einwohnermeldeamt gestellt werden können, werden von dort an die Ausländerbehörde übermittelt. Die Behörde kann damit die sogenannte Fiktionsbescheinigung ausstellen - und bis zur Ausstellung der Bescheinigung kann es dauern, warnt die Kreisbehörde. Doch diese Fiktionsbescheinigung ist für Geflüchtete sehr wichtig. Denn nur mit dieser, die als Nachweis über die Antragsstellung auf einen Aufenthaltstitel gilt, "können künftig entsprechende Leistungen im Jobcenter bezogen werden. Zusätzlich braucht es diese Bescheinigung, um eine Arbeit aufnehmen zu können", erklärt die Landratsamts-Pressesprecherin Marlis Peischer. Auch Menschen im Rentenalter, also mit Geburt im Juli 1956 oder früher, benötigen diese Fiktionsbescheinigung oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz, um Leistungen, also Sozialhilfe, beziehen zu können.

Ein Problem: Etliche Geflüchtete haben bislang bloß eine Duldung erhalten, weil ihr Pass in kyrillischer Schrift ausgestellt wurde und erst einmal beglaubigt übersetzt werden muss. Dies soll jedoch keine Hürde für die Auszahlung der Leistungen sein, wie Theresa Deselaers im Kreisausschuss erklärte: Falls der Antrag für das Jobcenter nicht vollständig sei, springe das Landratsamt ein und rechne hernach mit dem Jobcenter ab, sagte die Abteilungsleiterin für Soziale Angelegenheiten im Landratsamt.

Die Vertreter der Kreisbehörde sind sich allerdings der extrem knappen Frist bewusst: Für den Fall, dass die Fiktionsbescheinigung am 1. Juni nicht vorliegt, soll eine Übergangslösung geschaffen werden. Aber: "Wir möchten trotz dieser Option noch so viele Anträge wie möglich bis Ende Mai bearbeiten können, damit die Auszahlungen möglichst reibungslos im dann richtigen Rechtskreis ablaufen", sagt Landrat Niedermaier. Dazu müssen die Flüchtlinge neben der Fiktionsbescheinigung einen Reisepass oder eine ID-Card aller Familienmitglieder vorlegen, die Meldebescheinigung der Gemeinde, in der sie aktuell leben, eine Mitgliedsbescheinigung einer gesetzlichen Krankenkasse, sowie einen Mietvertrag oder eine Bescheinigung über Mietzahlungen. Ebenso wichtig ist die Eröffnung eines deutschen Bankkontos, damit die Leistungen schnell und bargeldlos ausgezahlt werden können. Als Nachweis genügt eine Bankkarte. Der Antrag selbst kann unter https://www.lra-toelz.de/kurzantrag-auf-arbeitslosengeld-ii-hartz-iv heruntergeladen werden.

Ein andere Schwierigkeit liegt darin, dass alle Flüchtlinge aus der Ukraine noch erkennungsdienstlich behandelt werden müssen - auch jene, die schon eine Aufenthaltstitel haben. "Das muss nachgeholt werden", so Niedermaier. Im Landkreis soll dies in drei Polizeidienststellen und im Landratsamt geschehen. Allerdings muss vorschriftsgemäß auch dort ein Polizist die Fingerabdrücke nehmen, nicht etwa ein Beamter der Kreisbehörde. Deshalb habe man schon Kontakt mit dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd aufgenommen, berichtete der Landrat. "Am 1. Juni brauchen wir wenigstens eine Station, die bedient wird." Auf Nachfrage von Reiner Berchtold (SPD), warum dies denn nicht die Einwohnermeldeämter übernehmen können, verwies der Landrat auf die unterschiedlichen Software-Systeme.

Auf die Kommunen kommen mit dem Rechtskreiswechsel große Belastungen zu. Zum einen deshalb, weil viele Ukrainer derzeit in Hotels oder Gästehäusern untergebracht sind. Sobald die Mietverträge mit diesen Beherbergungsbetrieben auslaufen, weil die Feriensaison beginnt, sind die Städte und Gemeinden für die Unterbringung zuständig - denn diese Geflüchteten gelten dann als obdachlos. Außerdem betonte Landrat Niedermaier, dass rund 30 Prozent der Kosten für die Unterkunft (KdU) von den Kommunen zu stemmen seien. "Das ist nicht wenig, das ist eine schöne Menge, die wir noch nirgends im Haushalt abgebildet haben", sagte er.

Die Flüchtlinge können vom 1. Juni an zu den üblichen Öffnungszeiten des Jobcenters Bad Tölz-Wolfratshausen vorsprechen, die Unterlagen sind dann im Original vorzulegen. Dort erhalten sie außerdem einen Termin bei der Arbeitsvermittlung, damit die berufliche Zukunft besprochen und erste Schritte eingeleitet werden können.

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