Proteste in Bad Tölz:Abschiebung entsetzt Asylhelfer

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Die Rückführung eines 21-Jährigen aus Bad Tölz nach Afghanistan führt zu Protesten. Die Regierung verteidigt ihr Vorgehen.

Von Konstantin Kaip, Bad Tölz

Die Rückführung eines 21-Jährigen aus Bad Tölz nach Afghanistan führt zu Protesten. (Foto: dpa)

Die Abschiebung eines jungen Geflüchteten aus der Gemeinschaftsunterkunft in Bad Tölz nach Afghanistan entrüstet zahlreiche Flüchtlingshelfer. Wie die Tölzer Polizei bestätigt, ist der 21-jährige Mann am frühen Morgen des 13. November in der Unterkunft an der Peter-Freisl-Straße abgeholt worden. Er wurde nach Leipzig gefahren und von dort mit 39 anderen Afghanen in ein Flugzeug nach Kabul gesetzt.

Der 21-Jährige lebte von 2015 bis 2017 in Schlehdorf und wurde vor etwa einem Jahr in die Tölzer Gemeinschaftsunterkunft verlegt. Martin Schuster vom Verein Oikos, der sich in Schlehdorf um Asylbewerber kümmert, kennt ihn gut. Der 21-Jährige sei in Tölz gut integriert gewesen, sei gerne in die Berufsschule gegangen, habe gut Deutsch gesprochen und bereits einen Arbeitsplatz in Aussicht gehabt. "Ihn nach Afghanistan abzuschieben, ist ein Unding", sagt Schuster. "Er wurde hier einfach rausgerissen."

Laut Schuster ist der junge Mann vor seiner Abschiebung noch nie in Afghanistan gewesen. Seine Eltern, Angehörige der schiitischen Minderheit Hazara, seien nach Iran geflüchtet, wo ihr Sohn geboren worden sei. Seine Mutter und sein Vater seien umgekommen, als er Jugendlicher war. Zu seiner Flucht aus Iran habe er sich entschlossen, weil man ihn zwingen wollte, für die Schiiten in Syrien zu kämpfen. "Er ist ohne Pass nach Deutschland gekommen", erzählt Schuster. Erst wenige Wochen vor der Abschiebung habe der junge Mann einen afghanischen Pass erhalten - auf dem fälschlicherweise Afghanistan als Geburtsland eingetragen sei. "Wir hatten für ihn noch einen Termin bei der Asylberatung in München ausgemacht", sagt Schuster. Den aber konnte er nicht mehr wahrnehmen. Auch sein Anwalt habe die Ausweisung nicht mehr verhindern können.

Die Regierung von Oberbayern bestätigt die Abschiebung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe den Asylantrag des jungen Mannes abgelehnt und ihm die Abschiebung angedroht, erklärt Pressesprecherin Verena Gros. Auch die dagegen eingereichte Klage beim Münchner Verwaltungsgericht sei abgewiesen worden. Es gebe "keine Zweifel an der afghanischen Staatsangehörigkeit des Betroffenen". In sämtlichen Verfahren sei der Mann als afghanischer Staatsbürger geführt worden, zudem sei er "im Rahmen des Passersatzpapierverfahrens als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert" worden. Während seines Aufenthalts in Deutschland sei der 21-Jährige zudem "schwer straffällig" geworden. Weitere Details dürfe man aus Datenschutzgründen nicht veröffentlichen, erklärt die Pressesprecherin.

Laut Schuster gab es in der Erstaufnahmeeinrichtung einen Zwischenfall, in dem auch ein Messer gezückt worden sei. Der junge Mann sei aber in der Verhandlung vom Amtsgericht "unseres Wissens frei gesprochen" worden. Selbst eine Verurteilung sei aber "noch kein Grund, jemanden, der in Iran geboren wurde, nach Afghanistan abzuschieben", sagt Schuster. "Das ist einfach unfassbar."

Schuster und seine Kollegen bei Oikos haben immer noch Kontakt zu dem jungen Mann - über sein deutsches Handy, das er nach Afghanistan mitgenommen habe, erklärt der Flüchtlingshelfer. "Er hat 50 Dollar als Ankommensgeschenk bekommen und kann jetzt 14 Tage in einem Hotel in Kabul bleiben." Vom Flüchtlingsrat habe er Adressen in der afghanischen Hauptstadt erhalten, wo er sich beraten lassen könne. Der 21-Jährige wirke am Telefon gefasst, berichtet Schuster. "Er nimmt das erst mal als Schicksalsgegebenheit hin."

Dennoch machen sich die Flüchtlingshelfer Sorgen um ihn. Zwar habe der 21-Jährige in Schlehdorf und Tölz stets therapeutische Angebote angenommen, sagt Schuster. Wegen der drohenden Abschiebung sei er aber auch "immer wieder labil" gewesen. Es bestehe die Gefahr, dass er sich etwas antun könnte.

Gegen die Abschiebung hat Schuster am Freitag gemeinsam mit anderen Asylhelfern und jungen Geflüchteten in der Tölzer Marktstraße protestiert. Nun will er sich noch einmal mit Vertretern des Flüchtlingsrats und der Lehrerin des 21-Jährigen treffen, um den Fall zu besprechen. "Wir werden der Sache auf jeden Fall noch nachgehen", sagt er.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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