Stadtgeschichte:Rettung in letzter Sekunde

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Zumindest bei zwei Linden an der Bahnhofstraße sieht das Landesamt für Denkmalpflege eine "Denkmaleigenschaft" gegeben. Ohne Zustimmung der Behörde dürfen sie nicht entfernt werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Penzberger Mordnacht: Nachdem der Bauausschuss an einer Fällung der Winterlinden festhält, schaltet sich das Landesamt für Denkmalpflege ein. Die Behörde hält zwei Bäume für schützenswert.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Gerade noch rechtzeitig meldet sich das Landesamt für Denkmalpflege zu Wort. Die Münchner Behörde hat der Stadt Penzberg am Freitag mitgeteilt, dass sie sich die geplante Fällung der Winterlinden an der Bahnhofstraße aus dem Kopf schlagen kann. Zumindest bei einem der Bäume, jenem direkt an der Ampel, handelt es sich mutmaßlich um die Linde, an der in der Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 Albert Grauvogel erhängt wurde. Ein vom örtlichen Denkmalverein in Auftrag gegebenes Gutachten schätzt die Bäume auf mehr als 100 Jahre. Die Stadt vertrat die Ansicht, es handle sich um Ersatzpflanzungen in der Zeit von Bürgermeister Kurt Wessner (1972 bis 1996).

Mehrmals hat die Fällung der drei Bäume - sie tragen die Nummern 20, 19 und 17 - die Gremien beschäftigt. Der Bauausschuss hatte bereits im April 2023 beschlossen, die Winterlinden aus Sicherheitsgründen umzuschneiden. Ausschlaggebend war das Fazit, zu dem die städtische Baumkontrolleurin Anita Suttner nach einer Begutachtung kam: Alle drei Linden seien krank, hieß es. Die Stadt als Eigentümerin sei zuständig für die Verkehrssicherungspflicht. Da Äste abbrechen könnten oder gar ein Baum komplett umstürzen könnte, müssten sie entnommen werden. Die Linden sollten durch neue Bäume ersetzt werden.

Nachdem die geplante Fällung bekannt wurde, machte der Verein für Denkmalpflege und Penzberger Stadtgeschichte mobil. Er widersprach der Aussage, dass die Linden höchstens 50 Jahre alt seien. Zeitzeugen bestätigten, dass es sich zumindest bei Nummer 19 und 20 um originale Mordopfer-Bäume handelt. Sebastian Tauschinger soll an Nummer 19 beinahe sein Leben verloren haben. Der Strick riss, als er am Boden lag, wurde auf ihn geschossen.

Zweitgutachten schätzt Alter auf mehr als 100 Jahre

Nicht nur der Verein setzte sich für den Erhalt ein und forderte ein Zweitgutachten. Auch der Penzberger Erich Sczepanski wurde aktiv - und hatte letztendlich Erfolg. Zuvor hatte der Bauausschuss in seiner Februar-Sitzung dieses Jahres das Ergebnis des Zweitgutachtens der Sachverständigen Karla Melka-Müller vorliegen. Unter dem Punkt "Mitteilung der Verwaltung" skizzierte Klimaschutzmanager Carl-Christian Wippermann knapp, dass die Expertin ebenfalls zu dem Ergebnis komme, dass die maroden Bäume nicht bruchsicher seien. Ein Erhalt sei nur mit einem "baumsichernden Metallgerüst" bei Nummer 20, dem die Gutachterin eine "ausreichende Vitalität" attestiert, möglich. Die Linde daneben (19) könnte auf zwei Meter eingekürzt werden.

Laut Wippermann komme demnach das Zweitgutachten zum selben Ergebnis wie die fachliche Einschätzung der Penzberger Baumkontrolleurin. "Den Bäumen geht es leider gar nicht gut", sagte er. Die Stammfäule sei weit fortgeschritten und die Kronen seien bruchgefährdet. Es bestünde "absoluter Handlungszwang". Aus seiner Sicht gebe es keine klare Aussage, ob Nummer 20 wirklich der Baum sei, an dem Albert Grauvogel aufgehängt wurde. Passanten und Verkehr seien gefährdet, die Bäume müssten zeitnah gefällt werden.

In den Bäumen befinden sich Spechtlöcher. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auf die Frage von Armin Jabs (BfP), ob man den historisch bedeutsamen Baum an der Hauptkreuzung nicht einkürzen und den Torso "zum Denkmal erheben" könnte, erwiderte Wippermann, dass das "Gutachten ganz klar in seiner Aussage" sei und "die Fällung" empfehle. Auch die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Weilheim-Schongau habe bereits im November mitgeteilt, es käme "kein Naturdenkmal bei den betreffenden drei Bäumen" infrage. Ein schützendes Metallgestell sei optisch nicht ansprechend; der Torso verfalle zudem weiter. Markus Bocksberger (Penzberg Miteinander), der Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) vertrat, regte an, Baum Nummer 20 sorgsam zu fällen. Der Ausschuss einigte sich darauf, diese Linde im Bauhof zu lagern, bis entschieden wird, wie er für die Nachwelt erhalten werden könnte.

Den Beschluss wollte Erich Sczepanski nicht hinnehmen. Er leitete das Gutachten an Detlef Knipping vom Landesamt für Denkmalpflege in München weiter. Knipping hatte im vergangenen Jahr auf Einladung sich selbst ein Bild gemacht und war für die Idee eines Baum-Torsos als Denkmal aufgeschlossen. Die Antwort folgte prompt. In einer E-Mail an Sczepanski heißt es: "Für die Zuleitung des Baumgutachtens und den Hinweis auf die Planung zur Fällung der Bäume danke ich. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat die Stadt heute auf die Denkmaleigenschaft der beiden nördlichen Bäume in der Bahnhofstraße nach Art. 1 BayDSchG und die Erlaubnispflichtigkeit einer geplanten Beseitigung/Veränderung nach Art. 6 BayDSchG hingewiesen. Ich gehe davon aus, dass nun ein Erlaubnisverfahren nach Art. 6 BayDSchG eingeleitet werden wird, bei dem das Landesamt zu beteiligen ist."

Damit sind zumindest zwei Winterlinden (19 und 20) vorerst gesichert.

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Nur einem Zweitgutachten ist zu verdanken, dass zumindest zwei Linden erhalten werden könnten - als Denkmal und Erinnerung an die Penzberger Mordnacht am 28. April 1945.

Kommentar von Alexandra Vecchiato

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